Zum Buch:
Pauline Dubuisson erschoss 1950 im Alter von 21 Jahren ihren Ex-Verlobten. Sie ist die einzige Frau, für die die französische Staatsanwaltschaft wegen eines im Affekt begangenen Verbrechens die Todesstrafe forderte. Ihr Leben wurde von Henri-George Clouzot mit Brigitte Bardot in der Hauptrolle verfilmt und lief 1960 unter dem Titel “La Vérité” (Die Wahrheit) in den französischen Kinos. Welcher Anspruch sich hinter dem Filmtitel verbirgt! In diesem Roman hat sich Jean-Luc Seigle noch einmal auf die Suche gemacht, auf die Suche nach einer der möglichen Wahrheiten.
Sie war 16, als sie von der Résistance öffentlich kahlgeschoren, gedemütigt, und vergewaltigt wurde. Pauline Dubuisson hatte in den letzten Kriegsmonaten für einen deutschen Arzt gearbeitet und war seine Geliebte geworden. Freiwillig? Danach hat sie in ihrem Prozess keiner gefragt. Aber den Leumundszeugen war diese Kollaboration mit der Besatzungsmacht ein wesentliches Argument für die Verurteilung ihrer Person. Auch für ihren Verlobten war es Grund genug, sie zu verstoßen und sie maßlos zu demütigen. Neun Jahre später wird sie aus der Haft entlassen, beendet ihr Medizinstudium und flieht vor der Verachtung der französischen Gesellschaft nach Marokko. Dort beginnt sie unter einem anderen Namen ein neues Leben, verliebt sich, wird geliebt und offenbart sich ihrer neuen Liebe ganz und gar. Denn Jean soll wissen, wer sie ist.
Seigle lässt Pauline ihr Leben erzählen, lässt sie suchen, bekennen, sich offenbaren. Ihr Lebensgeständnis ist Liebesbeweis. Nüchtern und klar erzählt sie von sich, ihren im Krieg gefallenen Brüdern, dem Vater, der Mutter. Von der Verachtung des einstigen Verlobten. Sie tut das in der Hoffnung, dass sie zurückkehren darf in ihr wahres Leben. Ein bewegender, erhellender Roman.
Susanne Rikl, München