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Autor
Mentzel, Zbigniew

Alle Sprachen dieser Welt

Untertitel
Roman
Beschreibung

Der Held dieses Buches ist ein rechter Schlemihl. Während sein Vater erst ein tapferer Soldat und dann ein pflichtbewusster Angestellter war, der keinen Tag in der pharmazeutischen Abteilung seines Krankenhauses gefehlt hat, und seine Mutter, die eigentlich Konzertpianistin und Dichterin werden wollte, große Hoffnungen für ihren Sohn hatte, sitzt dieser auch mit 46 Jahren noch den lieben langen Tag in seiner winzigen, mit Büchern vollgestopften Warschauer Wohnung, beobachtet seine Nachbarn, spekuliert an der Börse und denkt ergebnislos über die »Sprache der Zukunft« nach.

Verlag
Deutscher Taschenbuch Verlag, 2006
Format
Taschenbuch
Seiten
180 Seiten
ISBN/EAN
978-3-423-24528-9
Preis
12,00 EUR

Zum Buch:

Es beginnt mit einem Traum und endet mit einem Traum. Dazwischen erzählt Zbigniew Mentzel humorvoll und intelligent einen Tag aus dem Leben des Zbigniew Hintz, vielleicht seines Alter Egos. Es ist der 17. Januar, der Jahrestag der polnischen Befreiung durch die Rote Armee, ungefähr 10 Jahre nach dem Ende des Kommunismus. Also ein wichtiger Tag für Polen und ein wichtiger für den Helden des Buches, weil er am Ende dieses Tages seine Sprache wiederfindet. Anfang und Ende greifen ineinander. Es ist eine kreisförmige Erzählung voller Erinnerungsbilder, Anspielungen politischer und biblischer Art. Der Traum, den Zbigniew Hintz am Anfang träumt, ist sehr bedrückend. Lauter herausgerissene Zungen liegen auf einem Haufen, zuckend und stumm. Das Bild ist eindringlich und klar: wie in vielen anderen Sprachen bedeutet das polnische Wort für Sprache „jezyk“ auch Zunge. Um Sprache, Spracherwerb und Sprachlosigkeit geht es in diesem Buch in erster Linie. Das Geräusch des Betonmischers mit seinem „blal, blal“ vor seiner Wohnung läßt ihn an die babylonische Sprachverwirrung denken und an seine eigene Unfähigkeit, sich – in welcher Sprache auch immer – auszudrücken. An diesem 17. Januar soll der sympathische, aber bislang erfolglose Held seinen Vater, der mit 82 Jahren seinen letzten Arbeitstag hat, abholen und mit dem Auto zu dessen Abschiedsfeier fahren. Der Vater, der ihm den deutschen Nachnamen vererbt hat, und ein Musterbeispiel preußischer Pflichterfüllung und Tugenden ist, ermahnt den Sohn mehrmals, sich ja nicht zu verspäten. Während der Lektüre überkommt einen die Sorge, daß der Sohn, der durch seinen Tag mäandert, teils vom Tagesgeschehen gefesselt, teils von Erinnerungen in Anspruch genommen, es wirklich schafft, pünktlich zu sein. Am Ende dieses Tages hat er aber nicht nur seinen Vater rechtzeitig abgeliefert, sondern sich auch aus einer lange währenden Lebenskrise befreit. Nach einem Herzanfall fällt er in einen Erschöpfungsschlaf, in dem er im Traum zum Sprechen aufgefordert wird. Und jetzt kann er sprechen. Die Beschäftigung mit sich selbst und seiner Vergangenheit hat ihm die Zunge gelöst und er kann endlich der von seiner ehrgeizigen Mutter immer wieder vorgebrachten Aufforderung „Jetzt bist Du dran….“ nachkommen und diesen besonderen Tag beschreiben. Hier schließt sich der Kreis und der Leser hat viel über Zbigniew Hintz und über das Leben in Polen vor und nach der politischen Wende erfahren.

Edda Mittelbachert, Frankfurt am Main