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Autor
Mannhart, Urs

Bergsteigen im Flachland

Untertitel
Roman
Beschreibung

Wollte man ein Porträt des Lebens in Europa in einem Roman entwerfen, wie vielfältig müsste er angelegt sein, um authentisch und dabei spannend zu erzählen? Urs Mannhart ist all das gelungen: Eine bilderreiche, erschütternde, packende Odyssee durch Europa. Obendrein ein wirklich schönes Buch, ausgezeichnet von der Berliner Type für herausragende Buchbindung und Druck.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Secession Verlag für Literatur, 2015
Format
Gebunden
Seiten
661 Seiten
ISBN/EAN
978-3-905951-32-5
Preis
25,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Urs Mannhart, der als Velokurier, Nachtwächter und Journalist gearbeitet hat, gehört mit Christoph Simon und Lorenz Langenegger zu den Mitgliedern der Literaturgruppe »dieAutören«. Im Bilgerverlag, Zürich, erschien 2004 der Roman »Luchs« und 2006 »Die Anomalie des geomagnetischen Feldes südöstlich von Domodossola«. Als Reporter berichtet Mannhart aus Ungarn, Serbien, Kosovo, Rumänien, Russland, Weißrussland und der Ukraine. »Bergsteigen im Flachland« ist sein dritter Roman.

Zum Buch:

Wollte man ein Porträt des Lebens in Europa in einem Roman entwerfen, wie vielfältig müsste er angelegt sein, um authentisch und dabei spannend zu erzählen? Urs Mannhart ist all das gelungen: Eine bilderreiche, erschütternde, packende Odyssee durch Europa. Obendrein ein wirklich schönes Buch, ausgezeichnet von der Berliner Type für herausragende Buchbindung und Druck.

Im Zentrum des Romans steht der freie Journalist Thomas Steinhövel, der Ende der 1990er Jahre politisch brisante Reportagen für die Wochenendausgabe der Berner Zeitung Der Bund schreibt. Seine besten Zeiten sind vorbei, denn seit Neuestem legt auch sein Auftraggeber mehr Wert auf die Unterhaltung der Leser – also auf Umsatz – als auf deren politische Bildung. Aber noch reist und schreibt Steinhövel und kommt bei den Recherchen in Europa mit allen möglichen Menschen ins Gespräch. Mit Mihai Tinescu, dem Mathematiklehrer, der seine Heimat in den Karpaten verlässt, um auf den Erdbeerplantagen von Huelva für seine Familie Geld zu verdienen, mit Alim, der zurück in den Kosovokrieg reist, um seine große Liebe Jarmila wiederzufinden, oder mit Aca Mandic, der in Moskau untergetaucht ist, um den Fängen der serbischen Miliz zu entgehen. Ihn wird Steinhövels Schwester Marlene – zu Beginn des Romans noch in Bern als Juristin bei Amnesty International tätig, später dann am Kriegsverbrechertribunal von Den Haag – am Ende des Romans suchen, um ihn anstelle seines Bruders Bogdan, der trotz aller Vorsicht ermordet worden ist, in das Zeugenschutzprogramm zu holen.

Der Krieg und die Liebe sind die beiden großen Themen dieses Romans. Mannharts Sprache bleibt dabei durchgehend nüchtern, berichtend, zuweilen fast spröde. Als Vorlage für einige der Reisen Steinhövels dienten Reportagen eines Schweizer Journalisten – sie tragen zu der brisanten Aktualität des Romans bei. Aber bei allem aktuell Politischen, lakonisch Beobachteten: Viele Szenen des Romans leuchten von innen heraus, obwohl sie auf Schilderungen von Emotionen verzichten. Es ist ein stilles, intensives Leuchten, das darin begründet sein mag, dass der Autor seine Figuren nie schwarz oder weiß zeichnet. Der Auftragskiller Dragan gibt ebenso sinnige Weisheiten von sich wie die, die er umbringt. Alle Menschen in Steinhövels Roman sind in ihr Leben geworfene Opfer von Ort und Zeit, sind Bergsteiger im Flachland, bestens ausgerüstet für eine andere, vielleicht bessere, jedenfalls nicht für diese Welt.

Susanne Rikl, München