Zur Autorin/Zum Autor:
Der kürzlich siebzig gewordene Byongsu Kim lebt gemeinsam mit seiner Adoptivtochter Unhi am Rande der Stadt, besucht seit geraumer Zeit einen Lyrikkurs, liest die Klassiker und verfasst hin und wieder selbst ein paar Reime. Er leidet an Alzheimer im fortgeschrittenen Stadium, was bedeutet, dass er zuweilen den Weg zurück nach Hause allein deshalb findet, weil er ein Schild um den Hals hängen trägt, auf dem Name und Adresse geschrieben stehen.
Vor fast genau fünfundzwanzig Jahren hat Byongsu seine Tätigkeit als Serienmörder an den Nagel gehängt, nachdem er sein letztes Opfer, Unhis Mutter, getötet hatte. Auf Unhis Fragen hin, ob er ihre Eltern gekannt habe, gibt er seitdem immer dieselbe lakonische Antwort: „Nicht gut. Ich habe sie nur einmal getroffen.“
Byongsu hat sich geschworen, Selbstmord zu begehen, bevor er anfängt, in geistiger Umnachtung die Wände mit seinem Kot zu beschmieren, und somit sind seine Tage zunehmend von Gedanken an sein bevorstehendes Ableben geprägt. Gedanken, die er zu Papier bringt, um sie nicht zu vergessen. Gedanken auch für eine Nachwelt, die ihm wenig bedeutet. Er stellt für sich den Sinn des Lebens infrage, genauso wie die Möglichkeit, dass das ungewollte Vergessen, in welches er zusehends tiefer zu versinken droht, mehr bedeuten könnte als das, was es im Grunde ist: ein Vorgeschmack auf jene endgültige Einsamkeit, die mit dem eigenen Tod einhergeht.
Eines Tages muss er feststellen, dass sich ein anderer Serienmörder ausgerechnet in seinem Revier herumtreibt, ein Mann, der nicht einmal dafür Sorge trägt, sein schändliches Tun zu verhüllen. Byongsu fühlt sich nicht nur in seiner Ehre gekränkt, er kann auch nicht zulassen, dass Unhi etwas zustößt. Denn als diese wenige Zeit später einen Mann mit nach Hause bringt und ihn noch dazu als ihren neuen Freund vorstellt, kommt dieser ihm seltsam bekannt vor. Es gibt nur einen einzigen Ausweg für Byongsu Kim. Ein allerletzter Mord. Bevor er den Grund dafür vergisst.
Mit Aufzeichnungen eines Serienmörders ist dem südkoreanischen Schriftsteller
Young-ha Kim ein einfühlsamer Roman geglückt, der es dennoch an schwärzestem Humor und völlig unvorhersehbaren Wendungen nicht fehlen lässt. Man ist gewillt, dieses auf knapp 150 Seiten komprimierte Leseereignis zu rasch zu verschlingen, da die Geschichte gleich von Beginn an eine regelrechte Sogwirkung ausübt, doch es lohnt sich, die Lektüre ruhig angehen lassen, damit man bloß nichts verpasst.
Auf weitere Werke aus der Feder Young-ha Kims darf man sich jetzt schon freuen.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln