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Autor
Waal, Edmund de

Der Hase mit den Bernsteinaugen

Untertitel
Das verborgene Erbe der Familie Ephrussi. Aus dem Englischen von Brigitte Hilzensauer
Beschreibung

Dies ist die Geschichte der Familie Ephrussi, die einst zu den reichsten Bankiersfamilien Europas zählte, und es ist die Geschichte von 264 Netsuke, japanischen Miniaturschnitzereien, die als einziges von der umfangreichen Kunstsammlung der Familie übrig blieben. Ein Verlagstext fasst es so zusammen: „Nach der Lektüre hat man den Eindruck, mehrere Bücher gelesen zu haben: über Japonismus und Impressionismus, über das Sammeln, über Paris während der Dritten Republik, über Proust und die Dreyfuss-Affaire, über Wien um 1099, über Arisierung und Restitution, über Japan in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts.“ „Der Hase mit den Bernsteinaugen“ ist ein berührendes, fesselndes und großartig geschriebenes Buch!

Verlag
Zsolnay Verlag, 2011
Format
Gebunden
Seiten
352 Seiten
ISBN/EAN
978-3-552-05556-8
Preis
19,90 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Edmund de Waal wurde 1964 in Nottingham geboren und studierte in Cambridge. Er ist Professor für Keramik an der University of Westminster und stellte u.a. im Victoria and Albert Museum und in der Tate Britain aus. Er lebt in London.

Zum Buch:

Der Hase mit den Bernsteinaugen ist eine von 264 höchst kunstvoll aus Elfenbein oder Holz gefertigten Miniaturschnitzereien aus Japan. Netsuke werden sie genannt. Als im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts eine Welle der Begeisterung für japanische Kunstwerke – Holzschnitte, Malerei, Wandschirme und Schnitzereien – europäische Künstler und Sammler erfasste, trug der Kunstkritiker und Sammler Charles Ephrussi die Netsuke-Sammlung zusammen. Heute sind sie im Besitz von Edmund de Waal, Nachkomme der Familie Ephrussi, Töpfer und Professor für Keramik in England. Als Edmund de Waal die Sammlung vor Jahren von seinem in Japan lebenden Großonkel Ignaz„Iggie“ Ephrussi erbte, war das der Auslöser für ihn, den Weg, den die Netsuke durch die Familie genommen haben zu erforschen.

Damit sind die beiden Protagonisten des Buches genannt: die Familie Ephrussi und die Netsuke. Die Familie Ephrussi stammt aus Odessa wurde innerhalb einer Generation zu einem der reichsten Getreidehändlerhäusern Europas und begann gezielt in den damals wichtigen Metropolen Bankhäuser zu gründen, die überhaus erfolgreich waren. Ende des 19. Jahrhunderts zählte sie zu den reichsten und einflussreichsten Bankierrsfamilien mit Stammsitzen in Paris, Wien und London.

Charles Ephrussi gehörte zum französischern Zweig der Familie. Da seine älteren Brüder die führenden Funktionen in der Bank bereits übernommen hatten, konnte er sich ganz seinem Interesse widmen – der Kunst. Aus dem anfänglichen Dilettanten wurde nach und nach ein erfahrener Sammler, einflussreicher Kunstkritiker und Gründer der seinerzeit einflussreichsten Kunstzeitschrift „Gazette des Beaux Arts“. Sein Interesse galt der damals modernen Malerei und er setzte sich stark für die jungen Maler des Impressionismus ein. Als der Japonismus kurzfristig die Kunstwelt erfasste, erwarb Charles Ephrussi nach und nach die 264 kleinen Figürchen.

Zur Hochzeit seines Cousins Viktor mit Emmy Schey von Koromla schickt Charles die Figurensammlung als Geschenk nach Wien. Dort bleibt sie, bis die Familie nach 1938 durch die „Arisierung“ der Nazis alles verliert. Als das gesamte Inventar aus dem Palais an der Ringstraße von den Nazis vereinnahmt wird, um es mit bürokratischer Akkuratesse dem „Reich“ einzuverleiben, schafft das Dienstmädchen Anna die Netsuke heimlich in ihrer Schürzentasche fort. Sie sind das einzige, was der Familie aus ihrem Besitz geblieben ist. Nach dem Krieg gibt sie sie der Familie zurück ,und so gelangen die Netsuke an Ignaz „Iggi“ Ephrussi, der sich in Japan niederlässt. Dieser vererbt sie dann seinem Neffen Edmund de Waal.

Indem er dem Weg dieser kleinen Sammlung exotischer Kunstgegenstände nachgeht, zeichnet de Waal das Panorama einer untergegangenen Welt. Für ihn sind die Schnitzereien Objekte, die Erinnerungen gespeichert haben, die er in aufwändigen Recherchen nach und nach freilegt. Das führt über die mondäne Welt der Pariser Salons, der Künstler, Mäzene und Sammler ins Wien des Fin de Siecle, wo der geadelte Teil der Familie ein aufwändiges gesellschaftliches Leben führt, den vollständigen Zusammenbruch dieser Welt durch Antisemitismus, Krieg und Vernichtung ins zerstörte Wien, ins Nachkriegsjapan und schließlich nach England.

Der Autor schwelgt nicht in Nostalgie. Er ist ständig gegenwärtig, beschreibt seine Suche nach der verborgenen Familiengeschichte und reflektiert seine Rolle als Biograph. Familien-, Kultur- und Zeitgeschichte fließen ineinander. De Waal erzählt in einer klaren, stilsicheren Sprache von einer versunkenen Welt, in die man eintaucht, ohne in schwelgerischem Bombast zu ersticken. Ein wunderbares Buch ist das, wärmstens zu empfehlen!

Ruth Roebke, autorenbuchhandlung marx & co., Frankfurt