Zum Buch:
Sie würden sich gerne einmal mit Yoko Ono unterhalten, mit Werner Herzog oder Isabel Allende? Nun, die Chance werden Sie wahrscheinlich eher nicht bekommen, aber Sie haben Glück: Jörn Jacob Rohwer, der wie kaum ein anderer das Fragen zu seinem Lebensinhalt gemacht hat, war es vergönnt, diesen Persönlichkeiten – und weiteren 45 Künstlern, Schriftstellerinnen, Choreographen, Sängerinnen, Strafverteidigern, Schauspielerinnen – zu begegnen und mit ihnen ein reiches Gespräch zu führen.
Schon der Essay des Autors über die Kunst des Fragens ist ein Genuss. Und dass man im Personenregister am Ende des Buches so gut wie alle wichtigen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts (und weit über dessen Grenzen hinaus) findet, ist nach der Lektüre einzelner Interviews keine Frage mehr. Zwei dieser intensiven Gespräche will ich kurz skizzieren – wiewohl das ein kühnes Unterfangen ist, denn sie leben von dem ihnen eigenen Rhythmus.
Sie gilt als exzentrische Rebellin unter den Modemachern. Als Rohwer Vivenne Westwood 1995 interviewte, brillierte und provozierte sie mit einer Kollektion, die sie “Vive la Cocotte” nannte. Mode ist in ihren Augen – wie alles, was Menschen tun – eng mit Politik verknüpft. Nur das eigene Denkvermögen kann ihrer Meinung nach einen Menschen weiterbringen. In diesem Interview beklagt sie die Niveaulosigkeit unserer Kultur, verrät, welche Person von menschlicher Größe und Eleganz sie gerne eingekleidet hätte, und formuliert eine schlagende Antwort auf die Frage, warum die Modewelt weithin von Männern dominiert ist.
David Hockney hat schon immer in Bildern gedacht, sich für tiefe Schatten und intensives Licht interessiert. Selbst in einem Raum, den Rohwer und Hockney einstimmig als scheußlich bezeichnen, findet der britische Maler, der 1991 in die Royal Academy of Arts in London gewählt worden ist, etwas Interessantes, aus dem eine Bildidee entstehen könnte. Wie Hockney seine Homosexualität entdeckte, wann er wirklich genießt und wie er es fände, wenn sein Bett in seinem Atelier stünde, erzählt er hier völlig unprätentiös.
Jetzt werden Sie sich fragen, ob ich neben diesen auch alle anderen Interviews in der kurzen Zeit seit dem Erscheinen des Bandes gelesen habe. Einige, aber nicht alle. Oder pflegen Sie ihren gesamten Kellerbestand an gutem Wein an einem Abend auszutrinken? Diese Gespräche wollen goutiert sein, jedes für sich. Sie wirken nach, denn es sind keine Unterhaltungen, die an der Oberfläche bleiben, weder beim Fragenden noch bei dem, der antwortet. Auch in das Bewusstsein des Lesenden tauchen sie tief ein und zu unerwarteten Tages- und Nachtzeiten wieder auf. Das ist das Wunderbare an diesem Buch, das und seine aufblitzenden und dennoch unaufdringlichen Wahrheiten.
Susanne Rikl, München