Zum Buch:
Ein junger Mann, der dem Ruf der darstellenden Künste folgt, macht sich auf die Reise zu seinem großen Vorbild, zu Charlie Chaplin. Es ist eine lange Reise, die in seiner Kindheit begonnen hat, eine Reise durch alle Genres, denen sich Patrick Roth gewidmet hat. Zum 125. Geburtstag Chaplins wird dieses feine Buch des Filmemachers, Dramaturgen und Schriftstellers wieder neu aufgelegt.
Es ist nicht nur die Sehnsucht, die den jungen Studenten der Anglistik nach Vevey zu dem Anwesen Chaplins treibt. Leidenschaft, Erkenntnis, Verehrung, Nachfolge, all dies führt zu dem Willen, Chaplin persönlich zu begegnen. Ihm den Brief selbst zu überreichen, der der profunden Bewunderung des 22-Jährigen Ausdruck verleiht. In diesem Brief gesteht er Chaplin, wie sehr der sein Leben durchdrungen und verändert hat. Fiebrige Schwarzweißbilder im Alter von fünf; die heimliche Liebe mit 13: eine Quintanerin, die Geraldine Chaplin ähnlich sieht; das Plakat an der Badezimmertür einer Professorin, das ihn nach Los Angeles in das verfallene Kino ENCORE führt, wo er »Lichter der Großstadt« sehen wird. Der junge Student erreicht Vevey, das Tor zu Chaplins Anwesen steht offen. Er kann den Brief am Dienstboteneingang abgeben. Und er wird zurückkommen, um sich eine Antwort abzuholen.
Man sieht ihn vor sich, den jungen Studenten auf dem Weg zu Chaplins Anwesen, spürt die nasse Kälte des Neujahrstages. Aus den geschriebenen Worten werden Bilder, Bilder mit Schnittstellen, Bilder eines Films. Und auf dem Weg, den der jungen Student zwischen der Abgabe des Briefes und der bangen Rückkehr zurücklegt, lässt Roth die Szenen in »Lichter der Großstadt« Revue passieren, denen es gelingt, Unsichtbares, nur zu Ertastendes dennoch über Bilder begreiflich machen. Kunst ist große Kunst, wenn sie alle unsere Sinne beansprucht und dabei Grenzen überschreitet: vom geschriebenen Wort zum Bild, vom Bild zum Begreifen. Eine solch faszinierende Verdichtung gelingt auch in dieser Hommage an Charlie Chaplin.
Susanne Rikl, München