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Autor
Reiss, Tom

Der Orientalist

Untertitel
Auf den Spuren von Essad Bey. Aus dem Amerikanischen von Jutta Bretthauer
Beschreibung

Der Journalist Tom Reiss begibt sich auf die Suche nach der wahren Identität eines gewissen Lev Nussimbaum, alias Kurban Said, alias Essad Bey. Was er dabei auf- bzw. entdeckt, ist die Biografie eines der außergewöhnlichsten Zeitgenossen des 20. Jahrhunderts. Eine der besten Biografien, die ich je gelesen habe.

Verlag
btb Verlag, 2010
Format
Taschenbuch
Seiten
512 Seiten
ISBN/EAN
978-3-442-73972-1
Preis
15,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Tom Reiss wurde 1964 in New York geboren. Er arbeitet als Autor und Journalist (u.a. für den New Yorker, die New York Times und das Wall Street Journal.)

Zum Buch:

Ein neuer Verlag aus Berlin. Der Osburg Verlag. Aus dessen Frühjahrsprogramm habe ich mir Der Orientalist –  Auf den Spuren von Essad Bey von Tom Reiss ausgesucht und bin total begeistert. Ein Schmöker der Extraklasse; ob nun Regenwetter oder Sonnenschein, Hauptsache Zeit zu lesen, zu lesen, zu lesen. Eine meiner Leidenschaften besteht darin, Biografien und Autobiografien zu lesen und zu sammeln, ob nun solche von Literaten, von Malern, Politikern, Feldherren oder meinetwegen auch Diktatoren, sie müßen nur gut geschrieben sein. Und ich kann hier mit gutem Gewissen behaupten, Der Orientalist von Tom Reiss gehört mit Abstand zu einer der besten Biografien, die ich je gelesen habe. Und ich habe wirklich viele gelesen. Dies ist nun die erste Biografie, die ich rezensiere. Das wird sich ändern. Jedenfalls: »Wer ist Essad Bey?«  »Essad wer?!« Damit fängt es schon mal an. Essad Bey. Nie gehört. Sie vielleicht? Wie steht es denn mit Kurban Said? Nein? Lev Nussimbaum? Nun, Sie haben es vielleicht doch schon erraten: hierbei handelt es sich natürlich um ein und dieselbe Person.  

Alles beginnt mit einem Buch, Ali und Nino. Ein Liebesroman, spielt im Kaukasus, am Vorabend der Russischen Revolution, geschrieben von einem gewissen Kurban Said. Und wenn ich sage, einem gewissen, dann meine ich damit, daß bisher eigentlich niemand genau wußte, wer dieser Kurban Said überhaupt war. Es gibt Spuren. Das schon. Vage Ansätze. Der amerikanische Autor und Journalist Tom Reiss hat sich auf die Suche begeben und ist dabei auf eine Geschichte, ein, zwei, viele Leben gestoßen, die sich alle in einer außergewöhnlichen Persönlichkeit vereinigen. Alles beginnt auch in Baku, der Stadt am Kaspischen Meer, bis 1901 Lieferant für »die Hälfte des weltweit benötigten Erdöls«, der Hauptstadt Aserbaidschans. 1917. Oktoberrevolution. Gemeinsam mit seinem Sohn, dem völlig unbescholtenen, schüchternen, gerade mal 15jährigen Lev, flieht der jüdische Ölmilliardär Abraham Nussimbaum vor dem bolschewistischen Aufstand Richtung Orient. Für den stets neugierigen Lev beginnt damit eine Selbstfindung. Wie auch eine Selbsterfindung. Seine nächsten Stationen führen ihn nach Persien, Istanbul, später nach Berlin, Frankreich, New York, Wien und Positano in Italien. Er veröffentlichte Biografien, Romane, konvertierte zum Islam, nannte sich Essad Bey, nannte sich Kurban Said. Er wechselt seine Identität wie andere Leute ihre Hemden.    Tom Reiss erzählt Geschichte in Geschichten. Eine Biografie ist ja auch immer ein größtmögliches Zeitdokument. (Mich hat das ein bisschen an Stefan Zweig erinnert, an Irving Stone.) Auf seiner Spurensuche wird Tom Reiss ein unglaubliches Geschenk gemacht. 1999. In Wien. Levs letzte Verlegerin überreicht dem Autor die auf dem Sterbebett geschriebenen Memoiren des kaukasischen Münchhausen und Reiss beginnt damit, Dichtung und Wahrheit voneinander zu trennen. Was übrig bleibt, das liest sich …wie ein verdammt gut geschriebener Roman.  

Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln