Zum Buch:
Eine Kneipe im West-Belfast der heutigen Tage, lange nach der Sperrstunde.
Der Barmann wischt gerade zum zweiten Mal die Theke ab.
»Hast du nicht schon genug, Gerry? Wird langsam Zeit, nach Hause zu gehen.«
»Einen noch.«
Gerry Fegan ist vor Kurzem erst entlassen worden. Zwölf Jahre hat er gesessen, ein Jahr für jeden Mord, den er für die IRA begangen hat. Er hebt das volle Glas und prostet den zwölf Geistern zu, die dicht hinter und neben ihm im Schatten stehen und ihn mit vorwurfsvollen Blicken strafen. Fünf Soldaten. Ein Polizist. Dann die Zivilisten. Das Baby. Seit er wieder auf freiem Fuß ist, jagen sie ihn.
Er kippt den Whisky hinunter und knallt das Glas auf den Tresen.
»Ich scheiß auf euch. Ich scheiß auf euch alle.«
Stuart Nevilles Kriminalroman „Die Schatten von Belfast“ erzählt die Geschichte eines von seinen Erinnerungen getriebenen Ex-IRA-Killers, der sich in der neuen Welt nicht zurechtfindet und den einzigen Weg zur Absolution darin sieht, dass er seine ehemaligen Auftraggeber, die sich in Friedenszeiten mit den neuen Verhältnissen sehr zu ihrem Vorteil haben arrangieren können, der Reihe nach liquidiert, um so endlich die Geister seiner Opfer loszuwerden, die ihm auf Schritt und Tritt folgen. Aber er weiß auch, dass ihm nicht viel Zeit bleibt, denn bald schon steht er selbst auf der Abschussliste.
Mir hat dieser Kriminalroman auch deshalb ziemlich gut gefallen, weil er so ganz ohne Klischees auskommt; gerade durch die einfach gehaltene Erzählweise gewinnt die Story enorm an Atmosphäre und dadurch an Glaubwürdigkeit. Und je länger der Leser dem Exkiller dabei über die Schulter guckt, wie er sich nach und nach von seinen Peinigern befreit und dabei immer mehr in den Wahn abdriftet, desto spannender wird das Ganze.
Eines dieser Bücher, die einem sprichwörtlich an den Fingern kleben bleiben.
Axel vits, Der andere Buchladen, Köln