Zum Buch:
»Es war Neigung für skurrile Beschäftigungen und Grenzgänge allein, was mich vor Jahren zur Anlage einer Sammlung von letzten Worten bewog. Mehr noch trug dazu bei die Hoffnung auf eine gewichtige Ausbeute an menschlichen Bekundungen über den Sinn der durchlebten Existenz.« Ein Leben lang sammelte Ernst Jünger die letzten Worte von Verstorbenen und bat auch Freunde und Schriftstellerkollegen, ihre „Ausbeute“ auf extra dafür angefertigten Postkarten an ihn zu schicken. Hier nur einige Beispiele:
»Von allen meinen Schülern hat mich nur ein einziger verstanden. Und der hat mich falsch verstanden.« Hegel, 1831
»Unordentlich gelebt, aber ordentlich gestorben.« Bakunin, 1876
»Störe meine Kreise nicht!« Archimedes, 212 v. Chr.
»Jesus!« Paulus, ca. 65 n. Chr.
»Mozart!« G. Mahler, 1911
»Wo sind meine Gläser?« T. Mann, 1955
Ob die Verstorbenen diese Worte wirklich gesagt haben oder ob sie ihnen in den Mund gelegt wurden, das war für Jünger eher von zweitrangiger Bedeutung, denn, wie er selbst über seine Sammlung sagte, glichen diese letzten Worte einer Sammlung von Irrtümern und ungenauen Überlieferungen und würden sich trotzdem zu einer Wahrheit summieren, die ihnen, den letzten Worten, innewohne. Was, seiner Meinung nach, von der Historie überhaupt gelte.
Man kommt nicht umhin, über diese Meinung nachzudenken, wenn man diese letzten Worte, die sich aus allen Jahrhunderten und über mehrere Kontinente verteilen, nacheinander durchliest, teilweise schmunzelnd, teilweise mit zusammengezogenen Augenbrauen, doch fast immer hat man den Wunsch, über diese oder jene Person, deren Lebensende hier beschrieben wird, mehr zu erfahren; wie haben sie gelebt, worauf schauten sie zurück?
Ein nachdenklich stimmendes Buch. In welchem Sinne, das muss jeder selbst herausfinden. Aber dass es sich lohnt, steht außer Frage.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln