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Autor
Hasbún, Rodrigo

Die Affekte

Untertitel
Roman. Aus dem Spanischen von Christian Hansen
Beschreibung

Hans Ertl war ein erfolgreicher Bergsteiger und begnadeter Kameramann, der sein Talent in den Dienst des NS-Regimes stellte – für Leni Riefenstahls Olympiafilm und als Dokumentarist bei Rommels Feldzügen. Nach dem Ende des „Dritten Reiches“ wanderte er, wie so viele von der Vergangenheit Belastete, mit seiner Familie von München nach Bolivien aus. Ein Abenteurer blieb er. Besessen suchte er nach der sagenhaften Inkastadt Paititi. Seine Lieblingstochter Monika, wagemutig und besessen wie er, aber auch labil und unausgeglichen, begleitete ihn. Nach ihrer Rückkehr aus dem Dschungel schien sie völlig verwandelt, und ihr Leben nahm eine unerwartete Wendung.

Rodrigo Hasbrún hat mit Die Affekte auf wenigen Seiten einen vielschichtigen und komplexen Roman über eine Familie geschrieben, in dem jede Figur eine eigene Stimme hat und sich jeder Eindeutigkeit entzieht. Der Phantasie des Lesers ist dadurch ein weiter Spielraum gegeben, was das Buch zu einer ungemein fesselnden Lektüre macht.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Suhrkamp Verlag, 2017
Format
Gebunden
Seiten
142 Seiten
ISBN/EAN
978-3-518-42764-4
Preis
18,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Rodrigo Hasbún ist Jahrgang 1981, Bolivianer palästinensischer Herkunft mit Wohnsitz im texanischen Houston. Die Zeitschrift Granta nennt ihn einen der besten spanischsprachigen Nachwuchsautoren seiner Generation. Die Affekte ist Hasbúns preisgekrönter zweiter Roman, sein erster in deutscher Übersetzung.

Zum Buch:

Dieser Roman hat viele Stimmen. Jede trägt aus einem anderen Blickwinkel einen Teil zu einem Bild bei, das sich dennoch nicht zu einem einheitlichen Ganzen formen will. Im Zentrum: eine deutsche Familie. Der Vater, Hans Ertl, war erfolgreicher Bergsteiger und begnadeter Kameramann, der sein Talent in den Dienst des NS-Regimes stellte – für Leni Riefenstahls Olympiafilm und als Dokumentarist bei Rommels Feldzügen. Nach dem Ende des „Dritten Reiches“ wanderte er, wie so viele von der Vergangenheit Belastete, mit seiner Familie von München nach Bolivien aus. Seine Frau und die drei Töchter zogen eher widerwillig mit, und es fiel ihnen schwer, in La Paz Fuß zu fassen. Ertl blieb ein Abenteurer. Besessen suchte nach der sagenhaften Inkastadt Paititi. Seine Lieblingstochter Monika, die älteste von drei Schwestern, wagemutig und besessen wie er, aber auch labil und unausgeglichen, begleitete ihn auf seiner Suche. Doch die Strapazen und Herausforderungen dieser Expedition schienen zu viel für die junge Frau. Nach ihrer Rückkehr aus dem Dschungel war sie wie verwandelt. Sie heiratete einen jungen Mann aus der bolivianischen Oberschicht und engagierte sich sozial. Irgendwann schloss sie sich der bolivianischen „Befreiungsbewegung“ an und ging in den Dschungel.

Rodrigo Hasbrún hat mit Die Affekte auf wenigen Seiten einen vielschichtigen und komplexen, elegant komponierten Roman über eine Familie geschrieben. Auch wenn es sich um historische Personen handelt, serviert er keine fertige Geschichte und fällt schon gar kein abgeschlossenes Urteil über seine Protagonisten. Er macht keine Versuche, Lücken zu füllen oder schlüssige Motive für deren Handeln zu liefern, und er erzählt keine vollständigen, psychologisch motivierten Lebensläufe. Dem Leser bleibt es überlassen, sich aus dem vielstimmigen Chor der unterschiedlichen Erzählstimmen seine eigene Geschichte zusammenzusetzen, und das ist nachhaltiger als eine fertig auserzählte Handlung, die Brüche und Leerstellen zuschreiben will. Der Phantasie des Lesers ist dadurch ein weiter Spielraum gegeben, was das Buch zu einer ungemein fesselnden Lektüre macht.

Ruth Roebke, Bochum