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Autor
Grass, Günter

Im Krebsgang

Untertitel
Eine Novelle
Beschreibung

Dem Spiegel war der neue Grass eine Titelstory wert. Zum ersten Mal wagt sich ein deutscher Schriftsteller aus der Generation derjenigen, die den 2.Weltkrieg noch erlebt haben, an ein als heikel geltendes Thema: Flucht und Vertreibung der Deutschen aus dem Osten.

Verlag
dtv, 2004
Format
Taschenbuch
Seiten
224 Seiten
ISBN/EAN
978-3-423-13176-6
Preis
9,90 EUR

Zum Buch:

Günter Grass erzählt Im Krebsgang die Geschichte einer Schiffskatastrophe, die des Untergangs der Gustloff im Januar 1945, die mit der Lebensgeschichte des Erzählers, der während des Schiffuntergangs geboren wurde, verbunden ist. Dieses Schiff war voll besetzt mit deutschen Flüchtlingen in der Ostsee torpediert und ging mit Tausenden von Flüchtlingen unter. Grass erzählt von dem Namensgeber des Schiffs, dem Nationalsozialisten Gustloff, der 1936 in der Schweiz erschossen wurde, seinem Attentäter David Frankfurter und dem russischen Kapitän Alexander Marinesko, der das Schiff torpedieren ließ. Verknüpft wird das Ganze mit der Geschichte des Erzählers, der seiner Mutter Tulla Pokriefke und der seines Sohnes Konny, der sich im neonazistischen Umfeld zunächst in Mölln und später in Schwerin bewegt. Mit sehr häufigen Wechsel der Erzählperspektive, ähnlich wie seinem letzten Roman über Fonty verknüpft Grass diese verschiedenen Erzählstränge und legt dabei viel historischen Hintergrund bloß. Politisch interessant dabei ist die Aufarbeitung der Geschichte der Vertreibung aus dem ehemaligen deutschen Osten, die oft verdrängt wurde. Ein anderes Thema ist der Generationenkonflikt, der sich in einer Unfähigkeit der mittleren Generation, der sogenannten 68er Generation, zu klarer Artikulation von Positionen ausdrückt. Dadurch kommt es zu einer Verbindung zwischen alter und junger Generation, zwischen Großmutter und Enkel mit fatalen Auswirkungen. Im Erzählstil weit ausholend und manchmal in den Danziger Dialekt fallend, dann wiederum durch die Recherche des Erzählers im Internet die dort üblichen Ausdrücke einfließen lassend bietet sich dem Leser ein breites Panorama an Personen, historischen Situationen und Verknüpfungen zur aktuellen Situation. Manchmal ist jedoch der häufige Perspektivenwechsel etwas anstrengend für den Leser, insbesondere dann wenn neben dem Erzähler noch der sogenannte Auftraggeber (Günter Grass selber) eingeführt wird. Weniger wäre gerade an diesen Stellen der Novelle manchmal mehr gewesen. Aufgefangen wird dies aber durch die Vielschichtigkeit der Geschichte, insbesondere dem historischen Teil, der durch die Nacherzählung des Gewesenen und die heutige Deutung der Geschehnisse zwei Sichtweisen derselben Ereignisse entfaltet. Problematisch hingegen erscheint die aktuelle Neonazigeschichte, die sehr konstruiert wirkt und stellenweise auch unglaubwürdig erscheint. Alles in allem jedoch nicht nur für Freunde der Literatur von Grass, sondern auch für historisch Interessierte ein anschauliches und mit literarischem Vergnügen zu lesendes Buch. Axel Vits, Der Andere Buchladen, Köln