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Autor
Foschini, Lorenza

Prousts Mantel

Untertitel
Die Geschichte einer Leidenschaft. Aus dem Italienischen von Annette Kopetzki
Beschreibung

Seit er als junger Mann von dem Chirurgen Robert Proust operiert worden war und im Sprechzimmer den Bücherschrank und den Schreibtisch von dessen älterem Bruder, dem Schriftsteller Marcel Proust gesehen hatte, war Jacques Guérin, ein Bewunderer von Prousts Werk, der Leidenschaft verfallen, alles, was er aus dem Nachlass des Schriftstellers finden konnte, zusammenzutragen. „Prousts Mantel“ schildert die Geschichte eines Besessenen und seiner Obsession.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Nagel & Kimche, 2011
Format
Gebunden
Seiten
128 Seiten
ISBN/EAN
978-3-312-00482-9
Preis
14,90 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Die Schriftstellerin Lorenza Foschini arbeitet als Journalistin für das italienische Staatsfernsehen RAI, als Vatikan-Korrespondentin begleitete sie Papst Johannes Paul II bei seinen Reisen um die Welt. Für ihr Buch Inchiesta sui misteri di fine millennio (Nachforschungen zur Jahrtausendwende) erhielt sie 1997 den begehrten Scanno-Preis. Foschini wurde in Neapel geboren und lebt heute in Rom.

Zum Buch:

Jacques Guérin war Eigentümer der berühmten Parfumfabrik „Parfums d’Orsay“ vor den Toren von Paris. Seine Mutter hatte das Unternehmen aufgebaut; 1936 übernahm der Sohn die Leitung, die er bis in die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts innehatte. Aber er hatte nicht nur eine „Nase“ für erfolgreiche Düfte. Schon in jungen Jahren durchstöberte er erfolgreich Antiquariate, sammelte Handschriften und Autographen von damals noch unbekannten Künstlern. Proust zählte zu seinen Lieblingsautoren, und ihm sollte in späteren Jahren seine ganze Sammelleidenschaft gehören.

1929 hatte er eine Blindarmentzündung bekommen, und der Chirurg, der ihn von seinen Leiden befreite, war Robert Proust, Marcel Prousts jüngerer Bruder. Im Sprechzimmer des Arztes standen zwei besonders klobige und hässliche Möbelstücke, ein Schreibtisch und ein vollgefüllter Bücherschrank. Die seien aus dem Nachlass des Schriftstellers, sagte Robert Proust. Als er ihm ein paar handschriftliche Hefte aus dem Schrank zu sehen gab, war es um Guérin geschehen. Wie bei jedem „coup de foudre“ kreiste sein gesamtes sammlerisches Begehren von nun an darum, aller Dinge habhaft zu werden, die sich je in Marcel Prousts Besitz befunden hatten. Nicht nur Erstausgaben oder Handschriften interessierten ihn – den alltäglichsten Gegenständen spürte er auf abenteuerliche Weise nach. Dabei verkehrte er mit durchaus dubiosen Figuren und versuchte, an Nachlässe von Personen zu gelangen, die mit Proust bekannt gewesen waren. So trug er im Laufe der Zeit eine stattliche Sammlung zusammen – sogar den legendären schwarzen Mantel mit dem Otternfell, den der Schriftsteller ständig getragen hatte, trieb er auf.

Die italienische Journalistin Lorenza Foschini hörte von Piero Tosi, dem Mann, der die opulenten Filme von Visconti ausgestattet hatte, zum ersten Mal von dem Sammler. Selbst eine begeisterte Proustleserin, begann sie, die Spuren des mittlerweile verstorbenen Guérin und seiner Sammlung zu verfolgen, einer Sammlung, die zu einer Legende geworden war, da kaum jemand sie je zu Gesicht bekommen hatte. Eifersüchtig hatte der Sammler seine Schätze gehütet und niemanden an sie herangelassen. Nach seinem Tod wurde sie versteigert und in alle Welt zerstreut.

Prousts Möbel sind heute im Pariser Musée Carnavalet zu besichtigen. Dort wird auch der legendäre Mantel aufbewahrt – in einer Pappschachtel im Magazin. Er ist so zerschlissen, dass sein Zustand eine Ausstellung nicht mehr zulässt. Damit ist er den Blicken der Öffentlichkeit genauso entzogen wie in den Jahrzehnten zuvor in Guérins Sammlung. „Wenn ein Mann eine Frau liebt, teilt er sie nicht mit anderen“ hatte dieser in einem Interview gesagt. „So habe ich es mit meinen Schätzen gehalten, ich habe sie im Keller versteckt, wie Blaubart seine Frauen.“ Lorenza Foschini hat den berühmten Mantel übrigens sehen dürfen.

„Prousts Mantel“ ist ein kurzweilig und amüsant erzähltes Stück Sammler-, Kultur- und Literaturgeschichte, das nicht nur Proustverehrern Spaß machen wird.

Ruth Roebke, autorenbuchhandlung marx & co., Frankfurt