Zum Buch:
Nachdem die Veröffentlichung über ein Jahr nach hinten verschoben wurde, liegt nun endlich Simeon Wades atemloser Bericht über Michel Foucault vor, sicher für mehrere Generationen eines der wichtigsten und prägendsten Intellektuellen.
Doch warum ist Foucault nicht nur auf wissenschaftlicher, sondern auch auf kultureller Ebene so einflussreich und geradezu stilbildend? Welche Art von nicht nur politischer, sondern seelischer Emanzipation lässt sich mit ihm denken, und liegt in seinen Schriften nicht auch ein esoterisches Versprechen verborgen? Lange hat der Rollkragen-Existenzialismus von „Saint Foucault“ dafür gesorgt, dass sein Werk nur wenig mit der exaltierten, alternative Erfahrungen bejahenden Phase der 1970er und dem Entstehen einer Kultur der Bewusstseinsveränderung in Verbindung gebracht wurde. Simeon Wade schafft nun genau das.
In einem schrägen, unbefangenen Stil, der keine Zeile verschwendet und zwischen Berkeley, Claremont und dem Death Valley die Aura des Gonzo-Journalismus wiederaufleben lässt, beschreibt Wade seine transatlantisch-alchimistische Vision: dem philosophischen Großereignis aus Paris die Errungenschaften der amerikanischen „molekularen Revolution“ zu injizieren – und vice versa.
Wade ist für die Philosophie ein wenig das, was Henry Darger für art brut war: ein weitgehend unbekannter Outsider mit großer Inspiration und leuchtenden Bildern. In den Dialogen, bei denen man sich so nah dran fühlt, als würde man selbst mit Foucault auf dem Sofa sitzen, scheinen Bekenntnisse seiner philosophischen Überzeugungen durch: über das Ende der Geschichte, über Algerien, Vietnam und Israel, über Sartre, Althusser und das Primat des Ereignisses vor der Struktur.
Ebenfalls sehr aufschlussreich ist das einfühlsame Vorwort der Schriftstellerin Heather Dundas, der das Verdienst zukommt, Wades seit Jahrzehnten fertiges, aber unveröffentlichtes Manuskript ausgegraben und der Welt zugänglich gemacht zu haben.
Eine Empfehlung für Leser von T.C. Boyles Das Licht _sowie Interessierte an der bisher nur auf englisch erschienener Studie _The Last Man Takes LSD: Foucault and the End of Revolution von Mitchell Dean und Daniel Zamoras. Und für alle, die an und mit dem ebenfalls erst seit kurzem vorliegenden vierten Band von Foucaults Sexualität und Wahrheit arbeiten, den Foucault erst nach seiner Begegnung mit Wade verfasste – und von dem er schrieb, er müsse das Projekt nach diesem Trip „von vorne beginnen“.
Florian Geissler, Karl Marx Buchhandlung, Frankfurt