Zum Buch:
Überflüssig sind immer die anderen. Überflüssig werden kann man in dieser zunehmend durchökonomisierten Welt allerdings schnell. Falls man es nicht sowieso schon ist, weil man in Armutsgegenden lebt, als Kleinbauer von internationalen Food-Konzernen verdrängt wird, in Bürgerkriege und Kriegsgebiete gerät. Aber auch bei uns ist man neuerdings relativ flott „draußen“. Da reicht es, ohne ein dickes materielles Polster zu viele Kinder zu haben, arbeitslos zu werden oder vom Arbeitslohn nicht mehr existieren zu können. Wer, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr zur produzierenden und – wichtiger noch – zur konsumierenden Klasse gehört, wird überflüssig. Und wird damit zum „Problem“, über das sich Ökonomen, Volkswirte und Politiker den Kopf zerbrechen. Denn was überflüssig ist, muss weg – irgendwie.
Das ist die Grundthese, die Ilja Trojanow in seinem Essay durchspielt, angefangen mit dem Floß der Medusa bis hin zum Ende der Lohnarbeit, mit dem permanenten Zwang zur Selbstoptimierung bis zur absehbaren Ersetzbarkeit breiter Bevölkerungsschichten durch intelligente technische Systeme und Roboter. Er belegt, dass die Bevölkerungstheorien von Malthus auch heute noch innerhalb bestimmter Schichten en vogue sind, in denen durchaus öffentlich darüber nachgedacht wird, wie durch Nahrungsmittelkontrollen ein gezielter Rückgang der Weltbevölkerung erreicht werden könnte. Wobei klar ist, dass reiche, weiße Westler nicht zu den Verlierern gehören und auch russische oder asiatische Oligarchen nichts zu befürchten haben werden, denn. „Die Elite hegt keinen Zweifel an der eigenen Unersetzlichkeit, die Reichen zweifeln nicht an ihren gottgegebenen Privilegien und die Oberschicht glaubt sich per se wertvoller als die Unterschicht.“
Mit 96 Seiten ist „Der überflüsige Mensch“ keine tiefgehende Analyse heutiger und voraussichtlich zukünftiger Missstände. Trojanow gelingt es jedoch, in aller Kürze faktenreich zu belegen, dass es in Zukunft für viel breitere Bevölkerungsschichten nicht mehr möglich sein wird, den Kopf in den Sand zu stecken und sich an vermeintliche Privilegien zu klammern. Denn die Würde des Menschen ist, auch hier bei uns, längst nicht mehr unangetastet.
Ruth Roebke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt