Zum Buch:
Im Jahr 1933 begegnen sie sich in Sils Maria: Lionel Kupfer, begnadeter Filmschauspieler in den besten Jahren und Walter Staufer, Postbeamter vor Ort. Wenige gemeinsame Tage sind ihnen vergönnt, bis Lionels Geliebter Eduard aus Berlin anreist, um dem jüdischen Freund die vernichtende Nachricht zu überbringen: Mit der Machtergreifung Hitlers ist Lionels Karriere in Deutschland beendet. Der Autor folgt Kupfers Spuren und denen seiner Liebhaber durch die Welt, durch ihr Leben, durch den Wandel der Zeit: ein feinsinniger Jahrhundertroman.
Lionel Kupfer erfährt in seinem Leben immer wieder, was es bedeutet, sich zu finden, wieder zu verlieren und dabei dennoch nicht verloren zu gehen. Als Kind hat er erlebt, wie seine Familie am Tod des Bruders zerbrach. Mit dem Anbruch des Dritten Reichs ist seine Karriere als Filmstar von einem Tag auf den anderen beendet. Lionel muss nach Amerika fliehen und dort als Schauspieler von vorn beginnen. Eduard, sein Geliebter, wird als Kunsthändler für die neuen Machthaber zwielichtige Geschäfte erledigen, und Walter, dem die Tage mit Lionel unendlich viel bedeuten, findet den Mut, den Zwängen seiner Herkunft zu entkommen, und fliegt nach Kriegsende als Stewart um die Welt. Die Biografien dieser drei Männer bleiben miteinander verwoben, auch wenn sich ihre Wege nur kurz oder in Erzählungen anderer kreuzen.
Die schlichte Eleganz der Sprache, die atmosphärisch dichten Szenenschilderungen vermitteln beim Lesen das Gefühl, man säße in einem Schwarz-Weiß-Film, im Dunkeln, fernab von allem, was einen angreifen oder bedrohen könnte. In einer solchen Abgeschiedenheit, unter dem Lichtkegel der Schreibtischlampe, schreibt der alt gewordene Lionel Kupfer am Ende des Romans nieder, wie er die Kunst des Rollenspiels als für sich lebensnotwendig entdeckte, als er in jungen Jahren zum Schauspieler wurde. Er schreibt dies Walter Staufer, dem Geliebten aus vergangenen Zeiten, im Anhang eines Briefes, beiläufig, als Postskriptum. Sulzer setzt mit diesem letzten Kapitel einen schlichten Punkt hinter das Thema seines Romans: Draußen mag die Welt toben und wüten – den Menschen, die ihre eigene Ohnmacht überwinden, bleibt der Weg zu sich selbst, der Weg in die Kunst.
Susanne Rikl, München