Zum Buch:
Rote Klippenkrabben, Seegurken, Einsiedlerkrebse, Seesterne, Käferschnecken – was in aller Welt könnte dieses wirbellose Meeresgetier mit Literatur zu schaffen haben? Wenn man den begeisterten Freizeit-Naturwissenschaftler und Literatur-Nobelpreisträger John Steinbeck gefragt hätte: eine ganze Menge!
Im März 1940, also noch vor Pearl Harbor und dem daraus hervorgehenden Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg, machte sich John Steinbeck gemeinsam mit seinem besten Freund, dem Meeresbiologen Ed Rickets, einem Lebemann und Freigeist, zu einer Forschungsreise auf. Ihr Ziel war die Cortes-See im Golf von Kalifornien, die nicht selten von bedrohlichen Stürmen heimgesucht wird. Nach monatelanger Vorbereitung und allen Unwägbarkeiten zum Trotz charterten sie am Ende der Sardinensaison im Hafen von Monterey einen modernen, knapp 30 Meter langen Fischkutter, die Western Flyer. Zu dieser Zeit war Steinbeck bereits ein gefeierter Autor, doch seine Ehe kriselte, daher kam ihm die sechswöchige Auszeit nur zupass. Nachdem der Skipper und die fünfköpfige Crew ausgesucht waren, nachdem Vorräte und Ausrüstung – darunter alle möglichen Käscher, ein Dutzend Holzeimer, Sammelbehälter jeder Form und Größe, 15 Gallonen Formaldehyd zum Konservieren der Beute sowie ausreichend Bier und Whisky gegen Hitze und raue Kehlen – an Bord verstaut worden waren, machte sich die Western Flyer auf den Weg und sollte am Ende mehr als 1500 Seemeilen zurückgelegt haben.
Und während also Steinbeck und Rickets in Gummistiefeln durch Gezeitentümpel an den Landzungen und Lagunen der Küste New Mexicos wateten und jeden Stein umdrehten, während in Europa Frankreich kapituliert hatte und Hitler gerade dabei war, Dänemark und Norwegen zu überrollen, philosophierten die beiden Freunde über die Möglichkeit einer dem Menschen innewohnenden Mordlust und kamen zu dem Schluss, dass entweder nichts von Bedeutung sei – oder alles.
John Steinbeck hat sein Logbuch einige Jahre nach den Begebenheiten während der Forschungsreise zu Papier gebracht und dabei auch auf die Tagebücher seiner Gefährten zurückgegriffen. Was den vorliegenden Text maßgeblich und auffallend von seinen zu recht vielgepriesenen Welterfolgen unterscheidet, ist der ausgeprägte Hang zur Selbstironie, den der Autor hier an den Tag legt. Somit gestaltet sich das Buch – auch wenn man schlechterdings rein gar nichts mit wirbellosem Meeresgetier anzufangen weiß – zu einem uneingeschränkten literarischen Vergnügen. Für solche Bücher möchte man den Machern vom Mare-Verlag manchmal einfach nur um den Hals fallen.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln