Zum Buch:
Daniel lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern ein ruhiges, unaufgeregtes – vielleicht auch langweiliges Leben. Er ist damit nach einer großen Krise durchaus zufrieden. Eines Tages erhält er einen Brief seiner Großtante Ruth aus Israel in dem sie ihm mitteilt, dass sie das Haus, in dem er mit seiner Schwester und den Eltern Kindheit und Jugend verbracht hat, verkaufen wird. Er macht sich auf den Weg, um die letzten Reste von Mobiliar aus dem seit siebzehn Jahren leer stehenden Haus zu räumen. Dabei findet er ein Tagebuch seines verstorbenen Vaters, beginnt es zu lesen, und auf einmal gerät sein mühsam aufgebautes, geordnetes Leben ins Wanken …
Das Haus, der Abend und die Nacht, die Daniel im Jahr 1997 dort verbringt, sind das Zentrum des Romans. Von dort aus wird die Geschichte von Daniels Eltern sowie seine Kindheit und Jugend erzählt. Eine Drei-Generationen-Geschichte zwischen Österreich und Israel, zwischen Faschismus und Gegenwart. Die des jüdischen Familienzweigs, dem die Mutter entstammt, und die der aus Polen nach Österreich eingewanderten Kowalskis, der Familie des Vaters. Die einen wurden verfolgt und ermordet, die anderen haben sich so gut in Österreich integriert, dass sie begeisterte Nationalsozialisten wurden. Die Folgen zerreißen die Familie und prägen die Nachkommen. Am Ende springt der Text in das Jahr 2008, in dem Daniel meint, zu wissen, wo sein Weg ist.
Zentrale Themen des Buches sind Identität, Tod und Verschwinden. Daniels Großvater verschwindet spurlos auf einer Bergwanderung. Die Vorstellung, der Vater habe seinen plötzlichen Tod nur inszeniert, um ebenfalls zu verschwinden, setzt sich nach Lektüre des Tagebuches zwanghaft in Daniel fest und wird für ihn zur verführerischen Möglichkeit. Und es geht auch um die Unzuverlässigkeit unseres Gehirns und unserer Erinnerungen und die Fragen, was Wahrheit ist, was Einbildung, und ob der Tod wirklich das Ende ist oder eine Möglichkeit, noch einmal neu zu beginnen.
„Der letzte große Trost“, laut Verlagstext Slupetzkys eigene Familiengeschichte, ist ein ruhiges, melancholisches, aber auch disparates Buch – so wie sein Held. Dass der Text nicht ins Düstere abkippt, liegt an der feinen Ironie und genau beobachtenden Sprache, mit der die Handlung und das Personal entwickelt werden. Dass der Autor ein paar Themen zu viel in seinen Text packt und das Ende etwas überkonstruiert wirkt, sind kleine Einschränkungen, die kaum ins Gewicht fallen.
Ruth Roebke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt