Zum Buch:
Familie ist ein schier unerschöpfliches Thema in der Literatur, und am beliebtesten scheinen seit Jahren Autobiografien oder autofiktionale Romane mit diesem Schwerpunkt zu sein. Während jüngere Autor*innen sich häufig an ihren Prägungen durch die Familiengeschichte abarbeiten, rückt für die älteren das Thema Krankheit und Tod der Eltern in den Focus, und der sich ankündigende Verlust scheint den Blick auf die gemeinsame Vergangenheit milder zu stimmen. Ein berührendes Beispiel dafür ist das neue Buch des bulgarischen Autors Georgi Gospodinov, in dem er die letzten Wochen mit seinem todkranken Vater und dessen Sterben beschreibt.
Der Gärtner und der Tod ist ein Buch voller Trauer: über den Verlust, den der Autor kaum zu denken wagt, aber auch voller Angst vor dem, was diese letzten Wochen ihm abverlangen werden, und vor der Zeit danach. Aber es auch ein Buch voller Anekdoten über den Vater und die Geschichten, die dieser begnadete Fabulierer erzählt hat, der aus jedem Ereignis eine Geschichte machte. Aus dem Geflecht der traurigen Gegenwart und den humorvollen Erinnerungen entsteht das Bild eines Mannes, der im Leben wenig Möglichkeiten bekam, seinen Weg selbst zu bestimmen, und aufblitzende Chancen nicht nutzen konnte, ob in jungen Jahren als begabte Basketballspieler oder nach dem Krieg mit seinen fehlgeschlagenen Versuchen, der sozialistischen Mangelwirtschaft aus eigener Kraft etwas entgegenzusetzen. Dennoch blieb er ein dem Leben zugewandter Mensch mit einem lakonischen Humor, der allen Widrigkeiten mit dem Spruch „Halb so wild“ begegnete.
So lange der Autor zurückdenken kann, hat der Vater neben jeder der kleinen, schäbigen Wohnungen, in denen die Familie lebte, immer ein kleines Gärtchen gehabt. Als er im Alter von dreiundsechzig Jahren eine Krebserkrankung überstand, begann er, daraus einen riesigen Garten zu machen, den er bis zum Lebensende bewirtschaftete. Er schuf ein Paradies voller Blumen, Früchte und Gemüse, in dem er unaufhörlich hackte, beschnitt, pfropfte und erntete, dessen Rhythmus sein Leben bestimmte und in dem er aufging. Der Vater war sicher, dass dieser Garten ihn vor dem Tod gerettet hatte, dass der Garten sein Leben war.
„Mein Vater war Gärtner. Jetzt ist er ein Garten.“ Mit diesem Satz beginnt Georgi Gospodinov sein Buch, und es endet mit dem Satz „Halb so wild“. Dazwischen liegt das Leben.
Ruth Roebke, Frankfurt a. M.