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Die Stammheim-Protokolle

Autor
Jeßberger, Florian; Schuchmannn F., Inga (Hg)

Die Stammheim-Protokolle

Untertitel
Der Prozess gegen die erste RAF-Generation
Beschreibung

Der Stammheim-Prozess der Jahre 1975 bis 1977 war eine Nagelprobe für einen funktionierenden Rechtsstaat, und die Tatsache, dass die Verhandlungen auf Band aufgenommen wurden, stellte zu jener Zeit nicht nur ein Novum in einem Strafverfahren dar, sie beschert uns Heutigen auch einen direkten, unzensierten Blick auf die damaligen Ereignisse.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Ch. Links Verlag, 2021
Seiten
432
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-96289-127-5
Preis
25,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Herausgeber*in
Prof. Dr. Florian Jeßberger, Jahrgang 1971, ist Professor für Strafrecht und Juristische Zeitgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin und leitet das interdisziplinäre Forschungsprojekt »Der Stammheim-Prozess«. Zu seinen Forschungsschwerpunkten, dem Strafrecht einschließlich seiner historischen und internationalen Bezüge, hat er zahlreiche Bücher und Aufsätze veröffentlicht.

Inga Schuchmann, Jahrgang 1989, ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin und im Forschungsprojekt »Der Stammheim-Prozess«. Sie forscht zu den Grundlagen des Strafrechts sowie zur politischen Strafjustiz und zum Sexualstrafrecht.

Zum Buch:

Rechtsanwalt Schily: „Aber wir haben ja diese Entscheidung [dass die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Angeklagten fortgesetzt wird; Anmerk. AV] schon gestern aus der Bildzeitung erfahren, Herr Vorsitzender. Und wenn Herr Buback … reagiert …, kann man sich ja vorstellen, was hier heute herauskommt. Wir haben’s ja gestern in der Bildzeitung bereits gelesen, Herr Vorsitzender. Insofern ist natürlich Ihre Entscheidung gar keine Überraschung.“
Vorsitzender: „Der Senat hat diesen Chor der Verteidiger als Beanstandung der Maßnahmen des Vorsitzenden betrachtet, daß jetzt weder das Wort erteilt wird, noch Anträge gestellt werden können. Der Senat billigt diese Entscheidung. Es hat jetzt Vorrang die Verkündung der getroffenen Entscheidung.“
Angeklagter Raspe: „Das kommt überhaupt nicht in Frage hier.“
Vorsitzender: „Der Tenor ist bereits bekanntgegeben. Die Gründe lauten: Die Angeklagten sind ver…“
Angeklagter Baader: „Wir haben keine Möglichkeit gehabt …“
Vorsitzender: „Die Angeklagten sind … “
Angeklagter Baader: „Wir haben keine Möglichkeit gehabt …“
Regierungsdirektor Widera: „Wir stellen den Antrag, die Angeklagten von der weiteren Verhandlung auszuschließen.“

Beim sogenannten Stammheim-Prozess, jenem Strafprozess von 1975 bis 1977 gegen die führenden Mitglieder der Rote Armee Fraktion der ersten Generation: Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe, handelt es sich ohne Zweifel nicht nur um einen der größten Prozesse im Deutschland der Nachkriegszeit, sondern auch gewiss um einen der bemerkenswertesten des 20. Jahrhunderts überhaupt. Grund hierfür ist nicht in erster Linie der gewaltige Aufwand, den man vorab betrieben hatte (unter anderem war als Gerichtssaal eigens eine riesige Mehrzweckhalle erbaut worden), sondern vielmehr die politische Brisanz, da erstmals neue, bislang undenkbare Gesetze Eingang in die bestehende Strafprozessordnung fanden, die noch während des Prozesses eine nicht enden wollende Welle der Kritik auslösen sollten. So war beispielsweise die Anzahl der Verteidiger auf maximal drei beschränkt worden, und unter gewissen Voraussetzungen konnte eine Verhandlung selbst dann fortgeführt werden, wenn die Angeklagten sich in Abwesenheit befanden, will heißen, vom Verhandlungsablauf ausgeschlossen wurden. Der Umstand, dass das Strafverfahren, dessen erster Verhandlungstag am 21. Mai 1975 begann und das mit der Verurteilung aller Angeklagten zu lebenslanger Freiheitsstrafe endete, auf Tonbändern aufgenommen wurde, entsprach ebenfalls durchaus nicht der herkömmlichen Vorgehensweise. Dennoch liefern gerade diese Aufnahmen uns Heutigen einen ungefilterten, direkten Zugang zum damaligen Geschehen und machen deutlich, mit welcher Beharrlichkeit die Kontrahenten an ihren völlig gegensätzlichen Auffassungen einer Rechtsstaatlichkeit festhielten und sich erbitterte, teils von tiefer Abneigung geprägte Wortgefechte lieferten.
Die nun vorliegende Auswahl der transkribierten Stammheim-Protokolle wirft ein neues Licht auf bekannte Aspekte der Hauptverhandlung wie beispielsweise das illegale Abhören der Verteidiger oder den Freitod Ulrike Meinhofs und stellt somit, auch was den umfangreichen Anhang betrifft, ein einzigartiges Dokument für alle zeitgeschichtlich Interessierten dar.

Axel Vits, Der ndere Buchladen, Köln