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Reichtum verpflichtet

Autor
Cayre, Hannelore

Reichtum verpflichtet

Untertitel
Aus dem Französischen von Iris Konopik
Beschreibung

Das Leben hat es nicht immer gut gemeint mit Blanche de Rigny. Sie ist 38 Jahre alt, gehbehindert und alleinerziehende Mutter. Sie arbeitet als Kopistin bei der Pariser Justizbehörde, lebt in einer überteuerten Mikrowohnung und kommt mit ihrem mageren Beamtengehalt kaum über die Runden. Aber Blanche ist erfinderisch: Um sich das Leben ein wenig angenehmer zu machen, geht sie einem äußerst lukrativen Nebengeschäft nach, und dieses ergibt sich praktischerweise aus ihrem Job bei der Justiz.

Reichtum verpflichtet ist Krimi und Gesellschaftsroman zugleich. Die historischen Kapitel um die Geschichte des Urgroßvaters Auguste lesen sich wie die Sozialstudien der großen französischen Romane des 19. Jahrhunderts. Gleichzeitig ist das Buch ein politischer Roman, sehr aktuell, mit großer Empathie für die Entrechteten, dabei sehr unterhaltsam und spannend geschrieben.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Argument Verlag, 2021
Seiten
256
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-86754-252-4
Preis
20,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Hannelore Cayre ist Strafverteidigerin in Paris, Verfasserin von bisher sechs Romanen, Schauspielerin, Drehbuchautorin und Regisseurin. Früher war sie Finanzchefin einer Filmproduktionsfirma. Irgendwann langweilten sie die Finanzen, die Juristerei hingegen faszinierte sie zunehmend. Cayre spezialisierte sich auf Strafrecht und wurde Pflichtverteidigerin. Ein schwerer Unfall, nach dem sie beinahe querschnittgelähmt war, konnte ihre Energie, ihr Engagement für ihre Klientel und ihren genauen Blick für die tragikomischen Seiten ihres Berufs nicht schmälern. Für ihren vorigen Roman »Die Alte« (verfilmt mit Isabelle Huppert) erhielt sie den Prix du polar européen und den Grand Prix de littérature policière.

Zum Buch:

Das Leben hat es nicht immer gut gemeint mit Blanche de Rigny. Sie ist 38 Jahre alt, gehbehindert und alleinerziehende Mutter. Sie arbeitet als Kopistin bei der Pariser Justizbehörde, lebt in einer überteuerten Mikrowohnung und kommt mit ihrem mageren Beamtengehalt kaum über die Runden. Aber Blanche ist erfinderisch: Um sich das Leben ein wenig angenehmer zu machen, geht sie einem äußerst lukrativen Nebengeschäft nach, und dieses ergibt sich praktischerweise aus ihrem Job bei der Justiz. Nicht legal, aber sehr einträglich. An ihrer Seite hat sie Hildegarde. Hilde, ebenfalls körperlich beeinträchtigt und Kopistin beim Dezernat für Wirtschaftskriminalität, ist Anarchistin und militante Tierschützerin. Blanche und Hildegarde: die Freak Show, sie sich selbst nennen, immer unterschätzt von ihrer Umwelt – und das ist gut so.

Bei einem Besuch in ihrer bretonischen Heimat stößt Blanche durch Zufall auf die Namensgleichheit mit einer reichen Pariser Familie. Sie macht sich auf die Suche nach gemeinsamen Wurzeln und wird fündig. Ihre Spurensuche führt sie nach St Germain en Laye, zurück in das Jahr 1870, zu Auguste de Rigny, offenbar ihrem Urgroßvater. Auguste ist der jüngste Spross der Rignys, die schon immer Bauherren im Dienste Frankreichs waren, eine großbürgerliche Familie mit Geld und Macht. Auguste hingegen ist Idealist und Romantiker, Vegetarier (!) und Fürsprecher des Proletariats. Das schwarzes Schaf der Familie, das zur Tante nach Paris geschickt wird. Sein Bruder Ferdinand ist ein Kapitalist der ersten Stunde, er vermehrt mit dubiosen Geschäften, sogar mit den Besatzern, den Reichtum der Familie. Ferdinands Nachkommen ziehen noch jetzt an den Strippen der Macht und verfügen über ein zu großes Vermögen. Wie gut, dass es Blanche gibt, die dieses Missverhältnis ein bisschen zurechtrücken wird, und wie gut für Blanche, dass die Rignys nichts von ihrer proletarischen Verwandten ahnen. Die Mittel, die Blanche benutzt um die Welt ein wenig besser und gerechter zu machen, sind nicht immer legal oder moralisch vertretbar. Es bereitet beim Lesen aber großes Vergnügen, ihr dabei zuzuschauen.

Dieses Buch ist Krimi und Gesellschaftsroman zugleich. Die historischen Kapitel um die Geschichte Augustes lesen sich wie die Sozialstudien der großen französischen Romane des 19. Jahrhunderts. Blanches Geschichte ist im Kern ein klassischer roman noir, mit einer Heldin mit krimineller Neigung, die sich als brillante Analytikerin der aktuellen politischen Lage erweist und sie mit bissiger Stimme kommentiert. Das besondere an Cayres Roman ist die Verbindung, die sie zwischen den sozialen Bedingungen des ausgehenden 19 Jahrhunderts und heute zieht. Somit ist es auch ein politischer Roman, sehr aktuell, mit großer Empathie für die Entrechteten, dabei sehr unterhaltsam und spannend geschrieben.

Andrea Schulz, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt