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Architektur im Anthropozän

Autor
Borries, Friedrich von

Architektur im Anthropozän

Untertitel
Eine spekulative Archäologie
Beschreibung

Der Architekt und Designtheoretiker Friedrich von Borries geht in seinem Buch Architektur im Anthropozän einer der drängendsten Fragen unserer Zeit nach: Wie kann Architektur im Zeitalter des menschengemachten Klimawandels verantwortungsvoll gestaltet werden?

Architektur im Anthropozän eignet sich für alle, die an einem weitreichenden Überblick über aktuelle Diskurse in der Architektur interessiert sind. Sowie an der Frage, wie es für eine Disziplin weitergeht, die längst nicht mehr bloß schöne Häuser in die Vorstadt setzt – und, folgen wir Borries, dies auch definitiv nicht mehr sollte.(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Suhrkamp Verlag, 2024
Seiten
464
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-518-43202-0
Preis
32,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Friedrich von Borries (*1974) ist ein deutscher Architekt, Designtheoretiker und Autor. Er lehrt Designtheorie an der HFBK Hamburg und erforscht die Wechselwirkungen von Gestaltung, Politik und Nachhaltigkeit. Seine Arbeiten bewegen sich zwischen Wissenschaft, Kunst und Aktivismus. Zu seinen bekannten Werken zählen Wer hat Angst vor Niketown? und Gefangen in der Titotalitäsmaschine.

Zum Buch:

Der Architekt und Designtheoretiker Friedrich von Borries geht in seinem Buch Architektur im Anthropozän einer der drängendsten Fragen unserer Zeit nach: Wie kann Architektur im Zeitalter des menschengemachten Klimawandels verantwortungsvoll gestaltet werden?

Um Antworten darauf zu finden, bemüht Borries einen Kunstgriff: Er berichtet einem zukünftigen Gegenüber, der fiktiven Figur Aia, von den vielen baulichen Verfehlungen des vergangenen Jahrhunderts. In einer Tour de Force durch die Architekturgeschichte, die er neu „sortiert und ordnet“, ist es vor allem der Modernismus mit seinen utopischen Ideen und seinem ewigem Fortschrittsdenken, an den sich die fundierte Kritik richtet. Und darin siedelt bereits das Problem: Die ideologische Ausrichtung des Modernismus mit dessen Anspruch, Wohn- und Grünraum für alle zu schaffen, verdeckt in Diskussionen oftmals den invasiven Charakter dieses Bauens. Stichwort: Le Corbusiers Tabula Rasa von Paris, der Plan Voisin. Ein ausgeprägter Geniekult um Mies van der Rohe, Oscar Niemeyer oder eben Le Corbusier überspielt eine angemessene Kritik zusätzlich.

Das ist aber selbstredend nichts, was sich auf den Modernismus begrenzen lässt: Die Nachkriegs- und später die Postmoderne sowie zuletzt das Bauen der spätkapitalistischen Großform – sie alle sind nicht bloß Fortführung, sondern vor allem Überspitzung der Formen modernistischen Draufgängertums. Dass heute 30 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen dem Bausektor geschuldet sind, ist ein unmittelbarer Ausdruck davon.

Architektur hat sich in einem Paradox verheddert: Ein Mehr an gestalteter Umwelt bringt zwar ein dringend benötigtes Mehr an Wohnraum. Aber jedes Mehr an gestalteter Umwelt zerstört unsere Lebensgrundlagen. Vor diesem Hintergrund argumentiert Borries, dass das Anthropozän radikale Veränderungen der Art und Weise erfordert, wie wir Räume gestalten. Die Zukunft wird am Bestand entschieden, nicht an Überfülle. Es bedarf einer Architektur, die nachhaltig und deshalb sozial und kulturell transformativ ist. Additives Wachstum und die Verschwendung grauer Energie müssen überwunden werden.

Borries denkt disziplinübergreifend. Philosophische Überlegungen und wissenschaftliche Erkenntnisse verbindet er mit Konzepten und konkreten Beispielen aus der Architekturwelt. Die Frage nach der zukünftigen Mobilität wird verhandelt, die Idee der intelligenten Stadt. Borries erwähnt eine Initiative, die einen globalen Baustopp fordert, er widmet sich der Wohnungsknappheit und der damit verbundenen Wohnflächenfrage (die, würde jede Person durchschnittlich auf gerade einmal 3 m2 verzichten, für Deutschland gelöst wäre). Die gesellschaftliche Verantwortung gegenwärtiger Architektur steht der des Modernismus in nichts nach. Ändern muss sich aber das Bewusstsein: reparativ statt destruktiv.

Architektur im Anthropozän eignet sich für alle, die an einem weitreichenden Überblick über aktuelle Diskurse in der Architektur interessiert sind. Sowie an der Frage, wie es für eine Disziplin weitergeht, die längst nicht mehr bloß schöne Häuser in die Vorstadt setzt – und, folgen wir Borries, dies auch definitiv nicht mehr sollte.

Felix Spangenberg, autorenbuchhandlung marx & co