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Baumgartner

Autor
Auster, Paul

Baumgartner

Untertitel
Roman. Aus dem Amerikanischen von Werner Schmitz
Beschreibung

Am Ende eines katastrophischen Vormittags liegt Seymour T. Baumgartner, Held des gleichnamigen neuen Romans von Paul Auster, mit einer verbrannten Hand und schmerzendem Knie auf dem Sofa und versinkt in Erinnerungen: an Anna, seine vor zehn Jahren verstorbene Frau, an die langen Jahre ihrer glücklichen Ehe, an ihr Kennenlernen und die Zeit, in denen sie – er als Professor für Phänomenologie, sie als Dichterin und Übersetzerin – in ständigem Austausch standen. Wie so oft spürt er seinen Schmerz über den Verlust, der auch nach Jahren nicht geringer werden will. Baumgartner ist ein Buch über Verlust und Trauer, aber auch über das Weitermachen – trotz allem. Es ist eine nachdenkliche Lektüre, aber auch ein beeindruckend lebensbejahendes, humorvolles, heiteres und weises Buch.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Rowohlt Verlag, 2023
Seiten
208
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-498-00393-7
Preis
22,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Paul Auster wurde 1947 in Newark, New Jersey, geboren. Er studierte Anglistik und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Columbia University und verbrachte nach dem Studium einige Jahre in Frankreich. International bekannt wurde er mit seinen Romanen Im Land der letzten Dinge und der New-York-Trilogie. Sein umfangreiches, vielfach preisgekröntes Werk umfasst neben zahlreichen Romanen auch Essays und Gedichte sowie Übersetzungen zeitgenössischer Lyrik.

Zum Buch:

Der neue Roman von Paul Auster beginnt mit einem über Seiten gehenden, in rasantem Tempo erzählten Slapstick: An einem normalen Morgen passiert Seymour T. Baumgartner, einem emeritierten Professor für Phänomenologie in Princetown, dem Helden des Buchs, ein Missgeschick nach dem anderen. Am Ende des Vormittags liegt er mit verbrannter Hand und lädiertem Knie auf seinem Sofa und versinkt in Gedanken. Wie zumeist kreisen sie um seine verstorbene Frau Anna, die Frau, mit der er über vierzig Jahre glücklich verheiratet war, und die vor zehn Jahren bei einem Badeunfall ums Leben kam. Seitdem fühlt Baumgartner sich, als hätte man ihm alle Gliedmaßen vom Leib gerissen und er dazu verurteilt sei, den Rest seiner Tage mit einem Phantomschmerz zu leben. Baumgartner lebt nicht, er funktioniert – er forscht, schreibt Bücher und bestellt Bücher bei Amazon, die er nicht lesen wird, nur damit die nette Paketbotin kommt, die ihn irgendwie an Anna erinnert …

Eines nachts hört er im Traum Annas Stimme, die ihm erklärt, dass der Lebende den Toten, mit dem er so sehr verbunden war, in einem Raum zwischen Leben und Nichtleben festhält. Dieser Traum verändert Baumgartners Leben und befreit ihn aus der Gefangenschaft in seiner Trauer.

Viel mehr an Handlung – im Sinne einer üppig ausgebreiteten Geschichte – hat das Buch nicht. Im Zentrum des Romans stehen Erinnerungen an das gemeinsame Leben. Anna war Übersetzerin und Dichterin – auch wenn sie ihre Gedichte nie veröffentlicht hat. Ihre Ehe war die beglückende Verbindung zweier starker, eigenständiger Personen, zweier Intellektueller, die in ständigem Austausch miteinander lebten. Ein weiterer Strang des Textes besteht aus Erinnerungen an ihre beiden Herkunftsfamilien. Beide stammen aus dem gleichen Milieu jüdischer Einwanderer, wobei Baumgartner in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen ist, während Annas Familie den Aufstieg in die Mittelschicht geschafft hat. Und es gibt kurze biografische oder fiktionale Texte, die Anna oder er verfasst haben.

Paul Auster ist, wie in vielen Besprechungen betont wird, schwer an Krebs erkrankt, und die meisten Rezensenten lesen sein Buch überwiegend autobiografisch. Viele im Text verstreute Hinweise wie Herkunfts- und Namensgleichheiten oder Anklänge an frühere Romane legen das nahe. Aber die Fixierung auf das Schicksal des Autors gibt dem Buch eine Schwere, die es nicht hat. Gewiss, es ist melancholisch, es geht um Verluste, um Abschiede, um Erinnerungen. Aber es ist nie niederdrückend, im Gegenteil. Der Autor gibt seinem Protagonisten einen ironischen Blick auf sich selbst, eine grimmige Lakonie und einen wunderbaren Humor. Im Gegensatz zu Philip Roths alternden Helden, die ihrer schwindenden Attraktivität bei den Frauen nachjammern, ihre Prostataprobleme ausbreiten und sich ständig ihrer Potenz versichern wollen, altert Baumgartner, soweit ihm das möglich ist, in Würde: Er räsoniert nicht über die Begleiterscheinungen des Alters, was nicht bedeutet, dass er nicht damit hadert. Er versucht, sich dem Leben mit den Verletzungen und Verlusten, die damit einhergehen, zu stellen. Auf einer tiefen Ebene ist er mit sich im Reinen und ist entschlossen, dem, was ihm noch an Glück begegnen könnte, nicht nachzujagen, es aber auch nicht auszuschlagen.

Baumgartner ist ein Buch über Verlust und Trauer, aber auch über das Weitermachen – trotz allem. Es ist eine nachdenkliche Lektüre, aber auch ein beeindruckend lebensbejahendes, humorvolles, heiteres und weises Buch.

Ruth Roebke, Frankfurt a.M.