Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
Setz, Clemens J.

Monde vor der Landung

Untertitel
Roman. Sprecher: Ole Lagerpusch
Beschreibung

Nominiert für den Leipziger Buchpreis 2023 Sparte Belletristik

Monde vor der Landung beschreibt das Leben des Hohlwelttheoretikers und Priesters Peter Bender, dessen Rede- und Denkkunst ihn einerseits zu einer spannenden und aussagekräftigen Figur der Zwischenkriegszeit machen, ihn aber andererseits vor den Anforderungen und Bedrohungen dieser Zeit völlig hilflos und handlungsunfähig bleiben lässt. Sprachgewandt und mehr als ausdrucksstark spürt Clemens J. Setz der Verflechtung von Wahrnehmung und Wirklichkeit als Bereicherung und Bedrohung nach.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
tacheles!, 2023
Format
2 MP3-CD, Laufzeit
Seiten
0 Seiten
ISBN/EAN
978-3-86484-798-1
Preis
25,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Autor
Clemens J. Setz wurde 1982 in Graz geboren, wo er Mathematik und Germanistik studierte. Heute lebt er als Übersetzer und freier Schriftsteller in Wien. 2011 wurde er für seinen Erzählband Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Sein Roman Indigo stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2012 und wurde mit dem Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft 2013 prämiert. 2014 erschien sein erster Gedichtband Die Vogelstraußtrompete. Für seinen Roman Die Stunde zwischen Frau und Gitarre erhielt Setz den Wilhelm Raabe-Literaturpreis 2015. Mit Vereinte Nationen war Setz 2017 und mit Die Abweichungen 2019 zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen. 2021 wurde er mit dem Georg-Büchner-Preis geehrt.

Sprecher
Ole Lagerpusch studierte 2002 bis 2006 an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin. Danach war er an mehreren Theatern engagiert u. a. am Thalia Theater Hamburg, Deutsches Theater Berlin und Burgtheater Wien. Zudem ist er in zahlreichen Film und Fernsehrollen zu sehen.

Zum Buch:

„Das kannst du dir nicht ausdenken, sowas.“ Das ist einer der Leitsätze von Peter Bender, dessen Leben Clemens J. Setz in seinem neuen Roman Monde vor der Landung erzählt. Für Bender liegt die Beschaffenheit der Welt ebenso offen wie eigenwillig zu Tage: um die Sonne als Mittelpunkt krümmt sich die Erde als Hohlwelt, auf deren Innenkruste wir Menschen leben. Nicht ins unendliche All geht unser Blick, wenn wir in den Himmel schauen, sondern er zielt an der Sonne vorbei wieder auf die Erde, ungefähr nach Australien. Es genüge, den eigenen Schatten um die Mittagszeit zu beobachten und dem Impuls der Vermenschlichung, wie ihn jedes Kind noch deutlich spüre, nachzugeben, um die Wahrheit zu erkennen.

Clemens Setz legt die poetische Form seines Romans an diese Haltung Benders an, die das physikalisch-theoretische Denken ob seiner angeblichen Trostlosigkeit ablehnt. Ganz im Gegenteil zu seinem Vorgängerbuch Die Bienen und das Unsichtbare, ein literarisches Sachbuch über Plansprachen, steht hier die Vorstellung der Hohlwelt nicht als kohärentes und in sich abgeschlossenes System im Zentrum der Darstellung, sondern erscheint in erster Linie als Brechung von Benders Lebensrealität und umgekehrt. Jeder Vortrag Benders – von denen es, seiner Persönlichkeit entsprechend, zahlreiche gibt und die sich wechselnd an seine „Gemeinde“, seine Frau Charlotte, seine Geliebte Else oder als innerer Monolog an ein phantasiertes Publikum richten – verrät mindestens eben so viel, meist mehr, über die Situation Benders als über dessen kosmologisches Weltbild.

Benders Lebens wird in zeitlich springenden Episoden erzählt, deren Herzstück der Lebensabschnitt in Worms mit seiner Frau Charlotte ab dem Ende des ersten Weltkriegs ist. Anfang der vierziger Jahre wird die Familie aufgrund des politischen Drucks und der Armut die Stadt verlassen und nach Frankfurt weiterziehen müssen. Charlotte, eine aus Polen stammende Jüdin, die Bender während des ersten Weltkriegs im Lazarett kennengelernt hat, kümmert sich nicht nur um die Verwaltung der Hohlerdgemeinde, sondern versorgt die kleine wachsende Familie mit Geld, zunächst mit ihrer Mitgift, dann als erfolgreiche Fremdsprachenlehrerin und zuletzt, in Zeiten der Inflation, als Hehlerin. Als ebenso tatkräftige wie kluge Frau steht sie in Kontrast zu ihrem Mann. Der Roman erzählt, wie ihre Tatkraft sich immer wieder mit patriarchalen Einschränkungen und stets stärker werdenden antisemitischen Angriffen zu arrangieren versucht, während Bender die wachsende Bedrohung für sich selbst, aber auch für seine Frau und Kinder, nur entweder ignoriert oder transzendiert.

Monde vor der Landung ist damit nicht nur eine psychologisch und biographisch interessante Lebensgeschichte und ein spannendes und – wie es in bisherigen Rezensionen unablässig betont worden ist – sehr genau recherchiertes Zeitbild der Verschwörungstheorien der Zwischenkriegszeit, sondern darüber hinaus ein spannender Versuch, den Begriff und die Vorstellung vom realistischen Roman in der Gegenwartsliteratur zu verkomplizieren. Setz’ Art zu Schreiben zeichnet sich in diesem Roman insbesondere dadurch aus, dass alles, vom Satzbau bis zu Wortwahl und Metaphorik, sowohl als Beschreibung als auch als Ausdruck von Benders Leben gelesen werden kann und darin unbestreitbar innovativ und eindrucksvoll ist.

Theresa Mayer, Frankfurt a. M.