Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
Klingner, Kathrin

Über Spanien lacht die Sonne

Untertitel
Graphic Novel
Beschreibung

Kitty hat einen neuen Job. Sie arbeitet in einem Büro, in dem Kommentare auf sozialen Medien überprüft werden. Klingt spannend, ist aber vor allem schockierend. Aber auch nur zu Anfang. Es offenbart sich ein Kosmos von Paranoia und rassistischen Weltbildern. „Es ist schon längst bekannt, dass die deutschen Kommentare in Asien zensiert werden. Wen wollen die da verarschen?“ Es ist ein schlecht bezahlter Job, der getan werden muss, damit AGBs und Gesetze so einigermaßen eingehalten werden können. Die Hamburgerin Kathrin Klingner weiß, wovon sie spricht, sie hat tatsächlich einige Zeit in einem Unternehmen gearbeitet, dass Kommentare filtern soll.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Reprodukt Verlag, 2020
Format
Kartoniert
Seiten
128 Seiten
ISBN/EAN
978-3-95640-212-8
Preis
20,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Kathrin Klingner, geboren 1979 im Odenwald, studierte Kunst in Amsterdam und Illustration in Hamburg. Ihr Comicdebüt “Katze hasst Welt” ist 2016 in einer ersten Auflage im MamiVerlag von Anke Feuchtenberger und Stefano Ricci erschienen. Die leicht überarbeitete Neuauflage erscheint bei Reprodukt. Kathrin Klingner lebt mit ihrer Familie in Hamburg.

Zum Buch:

Das Prekäre verspricht mitunter Exotik. Dort, wo wenig bezahlt wird, trifft man auf das Groteske, Abstruse, vielleicht Eklige, wohliges Schaudern inklusive. Das Prekäre ist auch oft das inoffizielle, nicht unmittelbar Sichtbare. Und schnell schlägt es um in Tristesse.

Kitty hat einen neuen Job. Sie arbeitet in einem Büro, in dem Kommentare auf sozialen Medien überprüft werden. Klingt spannend, ist aber vor allem schockierend. Aber auch nur zu Anfang. Es offenbart sich ein Kosmos von Paranoia und rassistischen Weltbildern. „Es ist schon längst bekannt, dass die deutschen Kommentare in Asien zensiert werden. Wen wollen die da verarschen?“ Das ist noch einer der harmlosen Beiträge. Gehetzt wird gegen Moslems, Merkel, Claudia Roth, die Lügenpresse und oft auch einfach gegen Frauen allgemein.

In Kathrin Klingners neuem Comic Über Spanien lacht die Sonne geht es, durchaus ernsthaft, um diese Szene, um dieses Denken. Er zeigt auf eine raffinierte Art aber auch unseren Umgang mit den Ansichten, deren Vertreter*innen wir kaum persönlich kennen. Denn die Aufgabe von Kitty ist keineswegs eine politische – obwohl sie das doch eigentlich sein sollte. Es ist ein schlecht bezahlter Job, der getan werden muss, damit AGBs und Gesetze so einigermaßen eingehalten werden können. Die Hamburgerin Kathrin Klingner weiß, wovon sie spricht, sie hat tatsächlich einige Zeit in einem Unternehmen gearbeitet, dass Kommentare filtern soll.

Für Kitty und ihre Kollegen stellt sich rasch ein routinierter Umgang ein. Wenn sie versuchen, auch nach Feierabend etwas gemeinsam zu unternehmen und dann doch vor allem über die Arbeit sprechen, dann treibt das Blüten, die soziologisch interessant sind – und mitunter irrsinnig komisch. Klingners Figuren sind Teil des Spiels, sie sollen kontrollieren und sind dem doch machtlos ausgeliefert, resigniert, selten zynisch, irgendwie ohne richtige Chance. „Es ist nicht mein Traumjob, aber die Kollegen sind nett.“

Dieses Milieu zu beschreiben, gelang Klingner schon in Katze hasst Welt (2017) sehr eindrücklich. Ihr neuer Comic erzählt wieder episodisch, aber die Geschichte entwickelt sich. Das liegt vor allem an einem Einfall, den Kittys Chef hat. Seine Idee, Hasskommentatoren und ihre Zensoren real zusammenzubringen, ist so gut gemeint wie bizarr. So wird Über Spanien lacht die Sonne zu einer doppelten Studie: über die, die sozialen Netzwerke zur Hetze nutzen, und über einen neuen, ziemlich trostlosen Berufszweig.

Zeichnerisch findet Kathrin Klingner in dem Buch mit dem fröhlich gelben Einband ganz ohne Farbe genau die richtige Reduktion, die uns Kitty neugierig folgen lässt. Manche Charaktere haben Tiergestalt, andere sind als Menschen gezeichnet, wie es passt. Es macht Spaß, diesen Comic zu lesen, und es macht sprachlos, was man da liest.

Jakob Hoffmann, Frankfurt