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Autor
Krause, Johannes; Trappe, Thomas

Hybris

Untertitel
Die Reise der Menschheit: Zwischen Aufbruch und Scheitern
Beschreibung

Dem an der Entwicklung, dem Zustand und den Zukunftsperspektiven unserer Spezies interessierten Zeitgenossen ist dieses 2021 im Ullstein Verlag erschienene Buch von hochwillkommener Aktualität. Durch die Gesamtschau der Entwicklung unserer menschlichen Spezies auf einen weiteren (un-?) möglichen Fortbestand des „Homo sapiens, sapiens“, der hier zum Träger der „Hybris“, der Selbstüberschätzung wird und damit unter Umständen zur Selbstzerstörung führt, eröffnet das Buch des Paläontogen Johannes Krause, Direktor am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig und Mitarbeiter von Svante Pääbo, und des Journalisten Thomas Trappe bedenkenswerte Einsichten in unsere aktuelle Situation.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Propyläen Verlag, 2021
Format
Gebunden
Seiten
352 Seiten
ISBN/EAN
9783549100318
Preis
24,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Prof. Dr. Johannes Krause, geboren 1980, ist Experte für die Entschlüsselung der DNA aus alten Knochen. Er war Gründungsdirektor des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte in Jena und ist seit 2020 Direktor am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Er arbeitete zusammen mit Svante Pääbo an der Sequenzierung des Neandertalergenoms, 2010 entdeckte er auf Grundlage der DNA eines Fingerknochens den Denisovaner, eine neue Urmenschenform. Heute ist Krause fokussiert auf DNA-Analyse zur Erklärung historischer Epidemien und menschlicher Wanderungsbewegungen.

Thomas Trappe, geboren 1981, wuchs in Thüringen auf und lebt heute in Berlin. Er ist Redaktionsleiter beim Berliner Tagesspiegel und schreibt vor allem über gesundheitspolitische und wissenschaftliche Themen.

Zum Buch:

Dem an der Entwicklung, dem Zustand und den Zukunftsperspektiven unserer Spezies interessierten Zeitgenossen ist dieses 2021 im Ullstein Verlag erschienene Buch von hochwillkommener Aktualität. Durch die Gesamtschau der Entwicklung unserer menschlichen Spezies auf einen weiteren (un-?) möglichen Fortbestand des „Homo sapiens, sapiens“, der hier zum Träger der „Hybris“, der Selbstüberschätzung wird und damit unter Umständen zur Selbstzerstörung führt, eröffnet das Buch des Paläontogen Johannes Krause, Direktor am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig und Mitarbeiter von Svante Pääbo, und des Journalisten Thomas Trappe bedenkenswerte Einsichten in unsere aktuelle Situation.

In zehn Kapiteln wird die Entwicklung des Tier-Menschen bis zum heutigen Endstand nachgezeichnet. Dabei ist das für den Leser faszinierendste Erlebnis weniger die archäogenetische Beschreibung der vielfältigen Entwicklungsstufen und Verzweigungen des Menschen über den Homo ergaster, den Neandertaler, zum Homo sapiens in seiner modernen Erscheinungsform, als vielmehr die der Lebenswelten, in die die verschiedenen Hominiden sich eingerichtet, sich ausgebreitet haben – und bis auf uns, den modernen Homo sapiens, alle ausgestorben sind.

Es ist schon ein Abenteuer und forderndes Lesevergnügen, das in unsere Conditio humana einführt und zu den Wurzeln zurückkehrt, die uns etwas zurückstutzen in unserer humanen Selbstgefälligkeit und unbescheidenen Selbstdefinition als Krone der Schöpfung. Die Erkenntnisse über die katastrophalen Abstürze unserer Verwandten, die teilweise viele Jahrtausende länger auf dieser Erde lebten als wir, können ein wichtiger Baustein für die (Selbst-) Erkenntnis sein: Wir Heutigen sind die zufällig Überlebenden.

Der Homo Sapiens ist einer, der weiß, aber keiner, der erkennt. Das scheint mir die Quintessenz dieses Buches zu sein. Insofern ist dieses Buch und sein Titel Hybris, Homo Hybris der Grundton, der über diesem Werk liegt. Hybris ist Übermut, seine Grenzen nicht zu erkennen, ist das Grundmuster.

Ein Ihm scheint ein Gen eigen zu sein, mit dessen Hilfe er seit dem Wechsel vom friedliebenden Jäger und Sammler zum landwirtschaftlich sesshaften Menschen im Holozän und in der anschließenden elftausendjährigen Warmzeit seine blutige Spur durch die Geschichte zieht.

Dieser Wechsel bedeutete einen Umbruch des gesamten bisherigen Ökosystems, fast gleichzeitig an verschiedenen Stellen des Planeten. Von diesem Augenblick an „grassierte der Mensch in der Welt. Für alles, was sich ihm in den Weg stellte oder dessen Ausbeutung ihm nutzte, hatte er nichts als tödliche Gewalt übrig“ (S. 284).

Die Autoren zeichnen ein düsteres Bild einer Menschheit, die an einem Endpunkt angekommen zu sein scheint. Die Kämpfe um Ressourcen wie Wasser und Nahrung, um Konsum aller Art werden sich steigern, denn dem menschlichen Genom scheint eine Selbstbeschränkung nicht eingebaut zu sein. Dies alles hat über den Raubbau, die unbedachte und bedenkenlose Ausbeutung, zu unserer Klimakrise geführt.

Die kommenden Krisen, verursacht durch Pandemien oder klimabedingte Katastrophen, werden sich verschärfen. Die modernen Menschen werden zu nationalen oder internationalen Sanktionen greifen, die Kriege nicht ausschließen. Im schlimmsten Fall könnte der genetische Selbstzerstörungsmechanismus wirksam werden. Selbstbeschränkung versus Maßlosigkeit scheinen die Schlüssel für Hoffnung einerseits und Auslöschung andererseits zu sein.

Der Schluss des Buches mag eine aufmunternde Aufforderung sein, „das bis jetzt Gewonnene nicht zu verjubeln. Es ist Zeit für den nächsten großen Sprung in eine Welt, die uns genügt“. Fazit: ein Buch, das zum Nachdenken, auch über unsere eigene Art zu leben, anregt (und vielleicht dazu, Schlüsse zu ziehen).

Notker Gloker, Heiligenberg