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Autor
Koenen, Gerd

Das rote Jahrzehnt

Untertitel
Unsere kleine deutsche Kulturrevolution 1967-1977
Beschreibung

Koenen bewegt sich in seiner erhellenden Aufarbeitung des Jahrzehnts zwischen den Schüssen auf Rudi Dutschke am 2. Juni 1967 und denen im Stammheimer Knast des »Deutschen Herbstes« 1977. Die famose Aufarbeitung eines Beteiligten, Geschichte von innen.

Verlag
Fischer, 2004
Format
Taschenbuch
Seiten
560 Seiten
ISBN/EAN
978-3-596-15573-6
Preis
12,95 EUR

Zum Buch:

Der Titel sagt alles: Das rote Jahrzehnt, nicht das schwarze oder rot-schwarze oder schwarz-rote. Koenen bewegt sich in seiner erhellenden Aufarbeitung des Jahrzehnts zwischen den Schüssen auf Rudi Dutschke am 2. Juni 1967 und denen im Stammheimer Knast und der Ermordung Schleyers in der »Bleiernen Zeit« des »Deutschen Herbstes« 1977 fast ausschließlich in dem Geschichtsbild, das diese Klammer setzt: Von der sozialen, zunächst studentisch geprägten, Bewegung um den SDS über die mehr oder weniger totalitären Gruppierungen der »Massenorganisationen« wie KBW, KPD oder ML bis zum bewaffneten Kampf. Die zumindest in den beiden letzten Dritteln des 70er Jahrzehnts zahlreichere und darüber hinaus wesentlich langfristiger wirkende anarchistisch geprägte Spontiszene und die aus ihr hervorgegangene Alternativbewegung, die sich stärker aus dem nicht-studentischen Milieu speiste, kommen hingegen zu kurz. Aber Koenen sagt es ja schon im allerersten Satz: »Sich zum Historiker der eigenen Lebensgeschichte zu machen, wenn man selbst Akteur gewesen ist, ist ein zweifelhaftes, wenn nicht unmögliches Unternehmen.« Dennoch gelingt es dem Autor, »etwas Licht in den inneren Kern dieser Bewegung(en) zu werfen«, eine zusammenhängende Geschichte dieser bewegten und für die Republik prägenden Zeit zu erzählen. Vieles wird den Beteiligten klarer, der Abstand sorgt für Überblick, die Zusammenhänge gewinnen an Plastizität, die chronologische Einordnung des eigenen Lebensweges wird erleichtert. Vieles hatte ich vergessen, manches las ich zum ersten Mal, öfters regt sich Widerspruch, zu einigen Erinnerungen steigt die Erregung noch einmal auf und manchmal werden die erfahrenen Kränkungen bewusst. Brillant formuliert, erklärt das Werk den älteren Lesern der Nachkriegsgeneration tatsächlich hinreichend das Wann, Wie und Warum – wenngleich sich Worte und Formulierungen in den Text geschlichen haben, die heute noch genauso unergründlich sind wie damals; man muss dem Autor eine gewisse Verliebtheit ins Fremdwort nachsagen. Jüngeren Lesern dürfte sich das Dargestellte nur teilweise erschließen, sollten sie tatsächlich die Energie aufbringen, sich durch das stellenweise allzu detaillierte Werk zu quälen. »Unsere kleine deutsche Kulturrevolution« ist also in erster Linie etwas für diejenigen, denen wir damals nicht trauten: alle über 30! Peter Meyer, Frankfurt