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Autor
Köhlmeier, Michael

Zwei Herren am Strand

Untertitel
Roman
Beschreibung

In den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts lernten sich Winston Churchill und Charlie Chaplin, der große Politiker, gerade ohne offizielles Amt, und der weltberühmte „Tramp“, Liebling aller Kinogänger, auf einer Gesellschaft in Amerika kennen. Unterschiedlicher können zwei Menschen nicht sein, und das Einzige, was sie verband, waren – Depressionen. Diese Erfahrung reichte jedoch aus, um einen lebenslangen Pakt zu schließen, der nur ein einziges Ziel hatte: sollte der „schwarze Hund“ einen von beiden anfallen, würde der andere kommen, um ihn zu vertreiben.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
dtv Verlagsgesellschaft, 2016
Format
Taschenbuch
Seiten
272 Seiten
ISBN/EAN
978-3-423-14468-1
Preis
9,90 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Michael Köhlmeier wurde 1949 in Hard am Bodensee geboren und lebt heute in Hohenems/Vorarlberg. Er studierte Germanistik und Politologie in Marburg sowie Mathematik und Philosophie in Gießen und Frankfurt. Michael Köhlmeier schreibt Romane, Erzählungen, Hörspiele und Lieder und trat sehr erfolgreich als Erzähler antiker und heimischer Sagenstoffe und biblischer Geschichten auf. Er erhielt für seine Bücher zahlreiche Auszeichnungen, u.a. mit dem Rauriser Literaturpreis, dem Johann-Peter-Hebel-Preis, dem Manès-Sperber-Preis, dem Anton-Wildgans-Preis und dem Österreichischen Würdigungspreis für Literatur.

Zum Buch:

In den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts lernten sich Winston Churchill und Charlie Chaplin, der große Politiker, gerade ohne offizielles Amt und der weltberühmte „Tramp“, Liebling aller Kinogänger, auf einer Gesellschaft in Amerika kennen. Unterschiedlicher können zwei Menschen nicht sein, und das Einzige, was sie verband, waren – Depressionen. Diese Erfahrung reichte jedoch aus, um einen lebenslangen Pakt zu schließen, der nur ein einziges Ziel hatte: sollte der „schwarze Hund“ einen von beiden anfallen, würde der andere kommen, um ihn zu vertreiben.

Melancholie, ihre grausame große Schwester, die Depression, und die Versuche, ihnen zu entkommen, durchziehen das ganze Buch. Chaplin und Churchill wurden immer wieder heimgesucht, Köhlmeiers Vater und er selbst verbringen nach dem Tod von Köhlmeiers Mutter ihre Tage, als seien sie „Teile einer Maschine, deren Aufgabe es ist, Melancholie zu erzeugen“. Und jeder sucht mehr oder weniger komische, absurde oder verzweifelte Wege, um den „schwarzen Hund“ wieder zu vertreiben. Die Krönungsdisziplin ist die „Methode des Clowns“.

En passant bekommt der Leser noch Einblicke in Chaplins skandalgeschütteltes Privatleben, Churchills Alkoholkonsum, beider Kindheit, und – spätestens, seit Chaplin am „Großen Diktator“ arbeitet – sind natürlich auch Hitler und seine Anhänger mit im Spiel.

Das kann ja alles nicht wahr sein! Oder vielleicht doch? Oder wenigstens ein wenig? Sich schon beim Lesen immer wieder diese Frage zu stellen, macht einen Teil des Vergnügens an diesem Text aus. Aber Köhlmeier benennt Quellen, aus denen er seine Geschichte zusammengestellt hat, und die sind mindestens so außergewöhnlich wie das, was er erzählt. Da sind zum einen Erzählungen seines Vaters, der als Knabe beide Männer kurz kennengelernt hatte und nach dem Krieg zum begeisterten und durchaus anerkannten Churchill-Forscher geworden war. Aus einer kurzen Begegnung mit dessen Privatsekretär erwuchs ein jahrelanger, intensiver Briefwechsel zwischen beiden Männern. Zum anderen nennt er einige Biographien und Interviewbände, die er – wie er selbst sagt – hemmungslos ausbeutet. Seltsam nur, dass keiner der Autoren und keines der erwähnten Bücher in irgendeinem einschlägigen Katalog zu finden ist. Auch der Name von Churchills Privatsekretär lässt sich nirgends finden. Also alles Fake? Aber was für einer!

Michael Köhlmeier ist ein hintergründiger Roman gelungen, doppelbödig, witzig und äußerst unterhaltsam. Egal, wie viel Wirklichkeit in „Zwei Herren am Strand“ steckt – es ist ein Buch voller Wahrheiten geworden.

Ruth Roebke, autorenbuchhandlung marx & co., Frankfurt