Zum Buch:
Im Alter von zwölf Jahren hört Vilhelm Huurna seine Mutter zum Vater sagen: „… eines Tages werde Vilhelm als Kapitän eines großen Schiffes über die Weltmeere segeln.“ Genau so kommt es – aber anders, als er damals gedacht hatte, denn nach Fahrten als Schiffsjunge und einer Kapitänsausbildung, als er alles hat, was ihn zu einem guten Seekapitän macht, fehlt ihm nur eines: das Seeglück. Irgendwann setzt er jeden der ihm anvertrauten großen Segelfrachter auf Grund und langsam entsteht ihn ihm das Gefühl, „dass alle anderen echte Kapitäne“ sind„ und er nur eine Art Missverständnis, das noch einmal ans Tageslicht“ kommen wird. Oder ist es andersrum? Erst war das Gefühl und dann das Pech? Das herauszufinden, wird ihm nie gelingen, und so wird er zu einem, der ‚sich für gestern schämte und sich vor morgen fürchtete, aber mit dem gegenwärtigen Augenblick immer gut fertiggeworden war’. Einer, der dennoch damit zufrieden zu sein scheint, dass sein Leben ihm fremd bleibt.
So fremd, wie Vilhelm Huurna auf sein Leben guckt, guckt der Leser auf ihn. Das ist kein Held, der zur Identifikation einlädt. Ständig schwankt man, ob er ein etwas zu schlichtes Gemüt ist oder einfach gefühlsarm, ob man ihn bemitleiden oder ablehnen soll – dabei hat man längst angefangen, ihn ins Herz zu schließen. Huurna ist unbeholfen und schüchtern, sanft und zurückhaltend, alles andere als ein Draufgänger. Er ist eine Art tumber Tor mit Tiefgang, einer, der mehr geschoben wird, als dass er selbst die Initiative ergreift. Aber es lohnt sich, genauer hinzusehen: Die Schiffshavarien, die ihm zustoßen, werden von den einschlägigen Kommissionen als unverschuldet eingestuft, seine Männer auf See arbeiten gerne mit ihm, und die Schiffseigner vertrauen ihm unverdrossen neue Segler an – und irgendwann scheint er sogar Glück in der Liebe zu haben.
Man sollte nicht ständig Kaurismäki bemühen, um kauzige Finnen zu charakterisieren – hier trifft es aber hundertprozentig. Wer sich auf den Meeresroman einlassen mag, wird mit einem wunderbar skurrilen kleinen Buch belohnt, das in meisterhaft verdichteten kurzen Abschnitten ein ganzes Leben vor dem Leser ausbreitet und das zu lesen eine stilles Vergnügen ist.
Ruth Roebke, Bochum