Zum Buch:
Seit seine Frau Laura vor über einem Jahr vor der eigenen Haustür erschossen wurde, lebt Peter Taler zurückgezogen. Er ist froh, wenn er auf der Arbeit lediglich Rechnungen abstempeln muss, und meidet privat alle sozialen Kontakte.
Allabendlich deckt er den Tisch für zwei Personen, stellt ein Glas Wein für Laura hin und zündet ihr eine Zigarette an. Er träumt sich für eine Weile zurück in die Vergangenheit und steht anschließend stundenlang am Fenster, um die Straße zu beobachten. Verzweifelt versucht er den schrecklichen Tag zu rekonstruieren, an dem seine Frau starb, und hofft, irgendwann eine Erklärung für ihren Tod zu finden.
Eines Abends, als er die Straße hinunterschaut, hat er das Gefühl, es habe sich etwas verändert, aber Peter Taler weiß nicht, was es ist. Er fängt an, Fotos von der Straße zu machen, und stellt fest, dass auf dem Grundstück des achtzigjährigen Knupp merkwürdige Dinge vor sich gehen. Taler beginnt, Knupp zu observieren, und merkt, dass dieser ihn ebenfalls beobachtet. Als die beiden schließlich in Kontakt treten, erfährt Taler, dass auch der alte Knupp seine Frau verloren hat.
Knupp vertritt eine abstruse Theorie: „Es gibt nur ein Indiz dafür, dass die Zeit vergeht: die Veränderung. Sie schafft die Illusion von Zeit. Die Wiederholung ist ihr Tod. Ein Tag, an dem alles gleich ist, wie am Vortag oder an einem Tag vor Jahren, wäre der Beweis, dass es in Wirklichkeit die Zeit ist, die ausbleibt.“
Am 11. Oktober 1991 hat sich Knupp eine neue Kamera gekauft, und er besitzt mehrere hundert Fotos von diesem Tag. Anhand der Aufnahmen will er den Tag exakt rekonstruieren und somit die Zeit außer Kraft setzen, damit er seine Frau zurückbekommt. Peter Taler soll ihm dabei helfen.
Taler hält den alten Mann zunächst für verrückt. Aber er realisiert schnell, dass auch er selbst versucht, Veränderungen aufzuheben. In der ganzen Wohnung gibt es Zeichen von Lauras Gegenwart, nichts hat er verändert. Und je länger er über Knupps Theorie nachdenkt, desto mächtiger wird der Wunsch in ihm, der Zeit ein Schnippchen zu schlagen. Taler merkt zu spät, dass er längst in eine Sache verstrickt ist, die er bald nicht mehr kontrollieren wird.
Martin Suter spielt geschickt mit den Wünschen und Nöten seiner Protagonisten. Als Leser belächelt man zunächst die wirren Theorien des alten Knupp, doch im Laufe der Geschichte werden sie immer schlüssiger und man beginnt, genau wie Peter Taler, darüber nachzudenken, was wäre, wenn man die Zeit tatsächlich überlisten könnte? Eine ebenso verlockende, wie abschreckende Vorstellung.
„Die Zeit, die Zeit“ ist ein spannender Roman in typischer Suter-Manier mit überraschenden Wendungen und großem Unterhaltungswert.
Silke Bexhöft, autorenbuchhandlung marx&co, Frankfurt