Zum Buch:
Hamburg, Ende der 70er Jahre. Wenn alle anderen längst geschlossen hatten, traf man sich in der Absturzkneipe „Der goldene Handschuh“, einem düster-schmierigen Schuppen auf St. Pauli, der 365 Tage im Jahr rund um die Uhr geöffnet hatte. Auf dem Boden lagen zertretene Kippen, Glasscherben und Schlimmeres, aus der Musiktruhe dröhnten deutsche Schlager, die Luft war abgestanden, schwer wie Quecksilber.
Im „Handschuh“ kannte jeder jeden, Fremde oder gar Touristen verloren sich selten bis nie hierher. Da waren Leiche, Soldaten-Norbert, Ritzen-Schorsch, Doornkaat-Willy und Tampon-Günter, und ganz hinten in der Ecke saßen die sogenannten Schimmligen. Allesamt harte Trinker. Meist Fako. Fanta-Korn.
Und immer dabei, wenn er denn noch ein paar Mark in den Taschen fand, war der Schiefe, den sie auch Fiete nannten. Mit gebürtigem Namen hieß er Fritz Honka, ein kleiner, hässlicher Mann mit Schielauge. Er hoffte, im „Handschuh“ eine der älteren Nutten abschleppen zu können, ruinierte Körper, zerschlagene Gesichter, die sich vor dem Regen, der Kälte oder ihrem Luden hierher flüchteten. Manchmal gelang es ihm, eine der Damen mit nach Hause zu nehmen. Manchmal nicht. Traurige Berühmtheit erlangte der Schiefe, den sie auch Fiete nannten, als der Frauenmörder von St. Pauli.
Dies ist seine Geschichte.
Zugegeben, ich habe noch nie etwas von Strunk gelesen, ich dachte immer, das interessiert mich eh nicht, aber das hat sich dann hiermit schlagartig geändert, und ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass sonst jemand besser über den Hamburger Kiez schreiben könnte als er. Zugegeben, „Der goldene Handschuh“ ist kein Sonntagsausflug, zum Großteil ist die Sprache recht derb, dafür auch so authentisch wie möglich. Die Dialoge sind unbeschreiblich. Als würde man direkt daneben sitzen. Ich habe zum Teil Tränen gelacht und mich auf der nächsten Seite vor Rührung fast verschluckt. Ein großartiges Buch, das jeden Preis verdient hätte. Als Schleichwerbung sei hier noch das Hörbuch erwähnt, gesprochen vom Autor selbst, das man sich keinesfalls entgehen lassen sollte.
Axel Vits, Der andere Buchalden, Köln