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Única blickt aufs Meer

Autor
Contreras Castro, Fernando

Única blickt aufs Meer

Untertitel
Roman. Aus dem costaricanischen Spanisch von Birgit Weilguny
Beschreibung

Kann man das Leben von Menschen, die im und vom Müll am Rand der Gesellschaft leben, poetisch und fast märchenhaft erzählen? Der costaricanische Autor Fernando Contreras Castro kann. Mit erbarmungsloser Genauigkeit beschreibt er die Lebensbedingungen der sogenannten Taucher, die, unsichtbar für die Bewohner der Hauptstadt, in einem stetig wachsenden Meer aus Müll im Stadtteil Rio Azul leben.

Die Schattenseiten unserer Überflussgesellschaft, die mit den Konsequenzen ihres Konsum- und Lebensstils nichts zu tun, geschweige denn den eigenen Müll vor der eigenen Nase haben möchte, sind leider hoch aktuell. Schon deshalb ist Única blickt aufs Meer eine zeitgemäße und wirklich lohnende Leseempfehlung abseits der Bestsellerlisten.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Maro Verlag, 2020
Seiten
139
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-87512-492-7
Preis
20,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Der Costaricaner Fernando Contreras Castro (*1963) ist einer der bekanntesten Schriftsteller seines Landes und gilt als Vertreter der costa-ricanischen Literatur der »Generation der Enttäuschung«. Er arbeitet als Professor für Literatur an der Universität von Costa Rica in San Jose. Es wurde zweifach mit dem costa-ricanischen Nationalpreis Aquileo J. Echeverría ausgezeichnet. 1995 für den Roman »Los Peor«, der auf Deutsch unter dem Titel »Der Mönch, das Kind und die Stadt« im MaroVerlag erschienen ist und als Taschenbuchlizenz im Unionsverlag. Ein zweites Mal wurde er im Jahr 2000 für »El tibio recinto de la oscuridad« mit diesem Preis in der Sparte Roman ausgezeichnet. Insgesamt hat Fernando Contreras Castro sechs Romane und drei Bände mit Kurzgeschichten in Costa Rica veröffentlicht. Die beiden Romane im MaroVerlag sind die einzigen Bücher, die bisher auf Deutsch von ihm vorliegen.

Zum Buch:

Kann man das Leben von Menschen, die im und vom Müll am Rand der Gesellschaft leben, poetisch und fast märchenhaft erzählen? Der costaricanische Autor Fernando Contreras Castro kann. Mit erbarmungsloser Genauigkeit beschreibt er die Lebensbedingungen der sogenannten Taucher, die, unsichtbar für die Bewohner der Hauptstadt, in einem stetig wachsenden Meer aus Müll im Stadtteil Rio Azul leben.

Eine dieser Unsichtbaren ist Única, deren normales Leben als Hilfslehrerin lange zurückliegt und die mit großer Selbstdisziplin nicht nur für sich selbst Verwertbares im Müll sucht und verwertet, sondern auch für „ihren Sohn“ El Bacán, den sie vor vielen Jahren ebenfalls auf dem Müll fand und der auf dem geistigen Stand eines Siebenjährigen geblieben ist. Mit liebevoller Strenge bewahrt sie sich und anderen durch Rituale und den Glauben an eine Sinnhaftigkeit von Anstand unter prekärsten Umständen, einen letzten Rest ihrer Würde. Nachdem sie im öffentlichen Gottesdienst als schmutzige Taucherin nicht mehr willkommen ist, sorgt sie für die „Ausbildung“ eines Priesters in den eigenen Reihen, der mithilfe einer löchrigen, entsorgten Soutane und auswendig gelernter Segenssprüche für die Gemeinschaft der Taucher immer wieder eine Art Halt darstellt, so fragil dieser auch sein mag. Und einmal im Jahr – immer an einem anderen Tag, weil keiner weiß, wann El Bacán eigentlich geboren ist – organisiert sie den Geburtstag ihres Sohnes, kauft von dem wenigen Ersparten Süßigkeiten und Schnaps für die Gäste, schrubbt El Bacán den Dreck von 12 Monaten Müllkippe von der Haut, schneidet seine verfilzten Haare und rasiert ihn mit gefundenen, stumpfen Rasierklingen.

Nur Mondolfo, der sich eigentlich das Leben nehmen wollte, weil ihm nach einer ungerechtfertigten fristlosen Entlassung nichts als ein paar wenige Habseligkeiten geblieben waren, tut sich noch schwer mit den Bedingungen eines Taucherlebens. Es dauert einige Wochen, bis er den bestialischen Gestank des verrottenden Mülls so wie alle anderen nicht mehr wahrnimmt und er verinnerlicht hat, dass man sich Ekel leisten können muss. Mondolfo und Única widersetzen sich gemeinsam und jeder auf seine Art der stumpfen Gleichgültigkeit, die ihr trost- und hoffnungsloses Leben eigentlich ausmacht

Contreras mischt hingebungsvoll und gekonnt fabulierend Elemente des magischen Realismus mit den harten Fakten einer an sich selbst erstickenden Gesellschaft. Absurd, skurril und manchmal fast unerträglich genau erzählt er kleine Anekdoten über einzelne Taucher, die auf diese Art aus dem gesichtslosen Elend einer zerlumpten Masse heraustreten und wieder zu Menschen werden, Menschen am äußersten Rand eines für uns vorstellbaren Lebens.

Der hier besprochene Erstlingsroman des Autors aus dem Jahre 1993 wurde in seiner Heimat sogar als Schullektüre eingeführt. (Sein zweiter Roman Los Peor erschien bereits 2002 unter dem Titel Der Mönch, das Kind und die Stadt ebenfalls im Maro Verlag.) Die Schattenseiten unserer Überflussgesellschaft, die mit den Konsequenzen ihres Konsum- und Lebensstils nichts zu tun, geschweige denn den eigenen Müll vor der eigenen Nase haben möchte, sind leider hoch aktuell. Schon deshalb ist Única blickt aufs Meer eine zeitgemäße und wirklich lohnende Leseempfehlung abseits der Bestsellerlisten.

Larissa Siebicke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt