Michael Krupp hat die Eindrücke seiner Reise in den Orient 1959/1960 seinerzeit Tag für Tag zu Papier gebracht und sie seinen Eltern und an Zeitungen geschickt, die sie abgedruckt haben. Nun hat er noch einmal diese Aufzeichnungen zusammengestellt und mit vielen schönen Fotos von einst, über 80 an der Zahl, illustriert. Man erfährt, wie sich der 21jährige Michael Krupp nach seinem Abitur in Essen (1958) im September 1959 auf den Weg macht und Ende April nach 1960 zurückkehrt. Michael Krupp ist unterwegs in einer Welt, die es so nicht mehr gibt. Wir sehen und erleben sie mit den Augen des jungen Mannes, der per Anhalter, per Bus und per Schiff im Orient unterwegs ist. Über die Türkei, Syrien, den Libanon und Jordanien geht es nach Jerusalem. Schließlich zum Schluss der Reise noch zu Verwandten nach Ägypten. Israel ist freilich das Ziel seiner Reise gewesen. Auf Einladung eines Kibbutzniks, den er in West-Berlin kennengelernt hatte, bekam er ein Visum. Frische und persönliche Eindrücke sind das - ohne Filter - , die die LeserInnen zurückführen in ein Israel, das noch im Entstehen begriffen war. Gerade einmal elf Jahre alt. Im „Israelitischen Wochenblatt für die Schweiz“ (1901-2001) konnte man über seine Berichte am 6.Januar 1961 lesen: „Natürlich sind sie sehr persönlich gefärbt, aber gerade darum umso lebendiger und aufschlussreicher, und das ureigene Persönliche ist es ja, dass man aus vielen Reiseberichten aus Israel so sehr vermisst.“ (6. Januar 1961) Wir erfahren so viel über jenes Land in dieser Zeit. Doch der Titel „der Veröffentlichung »Reise in ein anderes Land« soll besagen, dass es dieses Land Israel von damals eigentlich nicht mehr gibt.“ (Vorwort, 8) Die flotte Schreibe des 21Jährigen lässt schon den späteren epd Journalisten und Buchautoren erkennen. Michael Krupp ist mehr als ein Kommunikationstalent. Er vermag es Generationen, Religionen und Traditionen im besten Sinne zusammenzubringen: als Autor, als Studienleiter von „Studium in Israel“, als Referent, als Journalist und Pfarrer. Und eben auch als Dolmetscher der Lebenswelten im ehemaligen Orient. Wir herzlich sind die Begegnungen im Kibbuz und an anderen Orten in Israel, wo er als junger Arbeiter Geld verdienen konnte. Wer liest, erfährt auch, wie das ist, wenn ein Mensch auf einmal entdeckt, im Land der Bibel der Lebenswelt der Bibel zu begegnen. Faszinierend! Ungeschminkt blickt er auch auf die Spannungen zwischen Juden und Arabern. Er sieht schon damals die politische Instrumentalisierung der palästinensischen Flüchtlinge. Und wie Hass, Menschen und Völker zu Grunde richten kann. (53) Eine Reise, die für Michael Krupp bis heute nachwirkt. Es ist ein Buch, mit dem man auch Michael Krupp noch einmal besser verstehen und kennenlernen kann. Und durch ihn und mit ihm die Geschichte Israels, dieses Staates, der nun 75 Jahre existiert. »Die Reise in ein anderes Land« weckt nicht nur Nostalgie. Es liest sich auch als Aufruf, gerade dieses Land, so wie es auf den Weg gebracht wurde, weiter „zu bebauen und bewahren“. Der Staat ist wie nie zuvor politisch von innen bedroht, von politisch Herrschenden und ihren Gefolgsleuten. Auch das schreibt Michael Krupp im Nachwort 2023 in aller Klarheit: „So lebe ich seit fast 60 Jahren in diesem Land und verfolge mit schmerzlichem Herzen die Entwicklung eines Landes von einem freiheitlichen, offenem und liberalen Staat zu einem Staat, der immer mehr in der Gefahr steht, seine demokratischen Grundlagen zu verlieren und rechtsradikalen und engstirnigen ultrareligiösen Fanatikern zum Opfer zu fallen. Aber das schöne geistige Israel, dem ich 1959/60 begegnete, lebt noch und es ist zu hoffen, dass es sich wieder durchsetzen wird.“ (283)