Johann Wolfgang Goethe (1749–1832) evoziert mit »Stella. Ein Schauspiel für Liebende« im Jahr 1776 – dem Höhepunkt der »Geniezeit« – einen Skandal. Das Schlussbild seines leidenschaftlich entflammten Sturm-und-Drang-Dramas zeigt eine innige Umarmung zu dritt. Der männliche Protagonist Fernando, der zwei Frauen liebt und immerzu gefährlich schwankt, sieht sich am Ende mit seiner Ehefrau Cezilie und seiner Geliebten Stella glücklich vereint. Dieses Happy End beflügelt sofort die Phantasien der Zeitgenossen, wonach es sich hier um eine bigamische Verbindung handelt. Ungeachtet des brisanten Stoffes wagen einige Theaterleiter sogleich eine Bühneninszenierung. So werden die Hamburger Vorstellungen unter der Leitung von Friedrich Ludwig Schröder ein beachtlicher Erfolg. Da jedoch »Straf und Schimpf-Predigten von allen Canzeln herunter gedonnert werden«, wie Schröder frustriert erkennen muss, ist dem Stück nur eine äußerst kurze Bühnenlaufbahn beschieden. Auch an anderen Spielorten wird »Stella« schnell verboten. Erst dreißig Jahre später entscheidet sich Goethe dafür, sein Skandalstück für die Inszenierung am Weimarer Hoftheater bühnentauglich zu bearbeiten. Gemeinsam mit Friedrich Schiller entsteht eine Bühnenfassung, die nun mit einer Katastrophe – dem doppelten Selbstmord – endet. »Stella. Ein Trauerspiel« wird am 15. Januar 1806 in Weimar uraufgeführt. Die dieser Premiere zugrundeliegende Weimarer Bühnenbearbeitung gilt als vernichtet. Allerdings ist bis heute eine Abschrift dieser Bühnenfassung, die Goethe im Jahr 1809 für das Frankfurter Theater anfertigen lässt, erhalten. Dieses wiederentdeckte Frankfurter Theatermanuskript wird in der vorliegenden Edition erstmals transkribiert und damit zugänglich gemacht. Mithilfe eines Paralleldrucks werden alle Transformationen des Stückes für die Bühne sichtbar. Zudem wird die Bühnenbearbeitung in den Kontext ausgewählter und von Goethe autorisierter »Stella«-Fassungen gestellt, die hier erstmalig vollständig und in chronologischer Reihenfolge ihrer Erstveröffentlichungen ediert werden. So lässt sich die jahrzehntelange Beschäftigung des Autors mit seinem einstigen Jugenddrama eindringlich vor Augen führen. Die Edition wird ergänzt um einen einleitenden Essay und einen kritischen Stellenkommentar.