Die Bibliothek als künstlerisches Sujet erfährt um die Jahrtausendwende nicht nur in der zeitgenössischen westlichen Literatur, sondern auch in der Malerei, der Plastik und der Objektkunst eine besondere Konjunktur. Viele dieser Bibliotheksdarstellungen speisen sich aus einem breiten Fundus an sprachlichen, aber auch visuellen Topoi, die wiederum auf eine lange kulturgeschichtliche Tradition bzw. ein umfangreiches ikonografisches Inventar zurückgehen. Martina Bork entfaltet in ihrer Studie ein Tableau zeitgenössischer Bibliotheksdarstellungen und ihrer Metaphorik. Sie analysiert diese Metaphern im Hinblick auf ihre Art, ihre Funktionsweise und ihren interpretatorischen Mehrwert. Innovativ ist hierbei der synchrone, auf die Bibliotheksmetaphorik fokussierte Zugriff, der mediale Grenzen überschreitet und sich bewusst von diachronen, motivgeschichtlichen Betrachtungen abgrenzt. Neben den kulturellen Funktionen der Bibliothek als Institution der Wissensspeicherung, -tradierung und -distribution nimmt die Autorin auch andere Funktionalisierungen in den Blick. Imaginäre Bibliotheken sind nicht nur ideale Projektionsflächen für die künstlerische Bearbeitung erinnerungskultureller Fragestellungen; vermittels der Metaphorik erlauben sie den bildenden Künsten das Anknüpfen an spezifisch literarische und kulturelle Topoi. Die medienübergreifende Betrachtung dieses zugleich sprachlichen und visuellen Phänomens ermöglicht trotz der unterschiedlichen Realisierungsformen das Identifizieren kultureller Deutungsmuster. Nicht zuletzt dokumentieren imaginäre Bibliotheken die Faszination, die sie gerade im Zeitalter der ubiquitär verfügbaren elektronischen Informationen als räumlich-konkreter Bücherhort noch immer ausüben.