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Das Gebot der Gewalt

Autor
Ouologuem, Yambo

Das Gebot der Gewalt

Untertitel
Roman. Aus dem Französischen von Eva Rapsilber
Beschreibung

Stellvertretend für die Geschichte des “Tiefen Afrika” (L‘Afrique profonde) wird in diesem Roman ein achthundertjähriges Kapitel vom 12. bis ins 20. Jahrhundert aufgeblättert: Das fiktive Reich Nakem bildet den Hintergrund, vor dem sich dieses Drama afrikanischer Geschichte abspielt: einer Geschichte von Verrat und Allianzen, von Zauberei und brutaler Machtpolitik. Ein Roman, der die verschiedenen machtpolitischen Strömungen und Zwiste – zwischen Afrikanern und zwischen Afrikanern und Arabern – oder später die koloniale Usurpation Afrikas durch die Weißen ungeschönt ins Licht hebt.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Elster Verlag, 2019
Seiten
276
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-906903-11-8
Preis
24,00 EUR
Status
lieferbar

Zum Buch:

Um was geht es in diesem Roman? Stellvertretend für die Geschichte des “Tiefen Afrika“ (L‘Afrique profonde) wird hier ein achthundertjähriges Kapitel vom 12. bis ins 20. Jahrhundert aufgeblättert: Das fiktive Reich Nakem bildet den Hintergrund, vor dem sich dieses Drama afrikanischer Geschichte abspielt: einer Geschichte von Verrat und Allianzen, von Zauberei und brutaler Machtpolitik. Ein Roman, der die verschiedenen machtpolitischen Strömungen und Zwiste – zwischen Afrikanern und zwischen Afrikanern und Arabern – oder später die koloniale Usurpation Afrikas durch die Weißen ungeschönt ins Licht hebt.

Das bereits 1968 in Frankreich erschienene Buch war zunächst hochgelobt worden; Ouologuem erhielt als erster afrikanischer Autor den Prix Renaudot. Nach manchen Widerständen, evtl. auch Unterstellungen durch amerikanische und britische Literaturwissenschaftler, wurde das Buch dann 2019 wieder neu aufgelegt.

Ein irres Werk! Ein Tsunami, der über den Leser hereinbricht: Achthundert Jahre afrikanische Geschichte. Tsunami deswegen, weil er mit ungeheurer Gewalt sprachlich und inhaltlich alles mitreißt, was auf dem Grund der Geschichte an menschlichem Unrat an die Oberfläche gespült werden kann. Und dann wieder stille, fast lyrische Beschreibungen von Menschen und Handlungen, von tiefsten schmerzlichsten Verirrungen in einer gnadenlos freundlich erscheinenden, aber hintergründig bösartigen Umwelt.

Eine Sprache, die elliptisch ungezähmt über den Leser herfällt, eine Syntax, die einen schaudern macht und doch dem Unfassbaren entspricht. Die Franzosen würden sagen, ein “énergumène”, ein Gewaltmensch, der keinen Stein auf dem anderen lässt. Ein biederer Leser mag sich fragen: Ist das Kunst oder Unvermögen? Es ist in der Tat das Unvermögen, das Unfassbare fassbar zu machen in einer Sprache, die sich dem Fassbaren entzieht.

Ein Buch, das achthundert Jahre Leben in Afrika unbeschönigt darstellt, ist kein Buch allgemeiner Zustimmung Die arabischen Sklavenfänger und die Kolonialherrschaft sind ebenso in eine hintergründig beißende Kritik eingebunden wie die afrikanischen Lebensdramen, die sich mit den Mitteln der schwarzen Magie und des Verrats in dieser Welt behaupten. Es ist kein Wunder, dass Ouologuem vor allem von afrikanischer Seite starke Kritik entgegenbrandete. Das vielen Literaten hehre Bild der Négritude von Senghor und Aimé Césaire bekommt hier Risse, die mehr als schmerzlich sind und Felwine Sarrs Traum von einer von Afrika angeführten menschlichen Zivilisation sehr utopisch erscheinen lassen.

Es ist ein ungebärdiges, ein für afrikanisches Denken umstürzlerisches Buch, das die Patina des menschlichen Zusammenlebens verdüstert, ins Allgemeine hebt oder besser: versenkt. Es ist der menschliche Abgrund, sei er weiß oder schwarz. Ein großartiges Schlusskapitel eines tödlichen Spiels, das die vergangenen Zeiten aufrollt bis zum jetzigen Ende und in einer Versöhnung der Spieler endet, zwischen Saif, dem Afrikaner und Henry, dem Bischof zeigt die philosophische Gedankentiefe von Yambo Ouologuem.

Notker Gloker, Heiligenberg