Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
Johnson, Denis

In der Hölle - Blicke in den Abgrund der Welt

Untertitel
Aus dem Amerikanischen von Bettina Abarbanell. Mit einem Vorwort vom Georg M. Oswal
Beschreibung

Denis Johnson reist im Auftrag des New Yorker für Reportagen nach Liberia und Somalia. Er geht weit bis über die Grenzen des Vertretbaren, bleibt dabei jedoch immer Schriftsteller, weniger Reporter. Johnsons Erzählungen sind wie Nachtweys Fotografien. Ihre Nüchternheit überzeugt.

Verlag
Tropen Verlag, 2006
Format
Gebunden
Seiten
186 Seiten
ISBN/EAN
978-3-932170-90-4
Preis
18,80 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Brauchen Sie noch eine Weihnachtsgabe? Schenken Sie Johnson. Unbedingt. Die Welt
Leseprobe:
Sonntagabend: Wir sind immer noch hier. Wieder einmal hocke ich irgendwo in Afrika und warte. Warte auf morgen. Vielleicht tut sich bis dahin etwas, vielleicht auch nicht. Was für ein gräßlicher Ort für einen ungeduldigen Mann …
Im Dunkeln scheint der Horizont so weit entfernt wie der Himmel über uns. Kein Mond heute Nacht, nur alle Sterne, die es jemals gab, und Satelliten auf ihrer Umlaufbahn und manchmal, ganz selten, etwas Blinkendes, ein Flugzeug in zehn Kilometern Höhe vielleicht. Eine weitere Nacht unter einem fremden Himmel in einem anderen Winkel der Welt. Im Radio höre ich Berichte von Bombenanschlägen, Kämpfen, Seuchen, ja sogar Hexenverbrennungen (in den letzten zehn Monaten wurden in Südafrika siebzig ältere Frauen verbrannt), und ich habe das Gefühl, in einer Welt zu leben, in der es nichts anderes gibt als das. Ich habe eine Taschenbuchausgabe des Neuen Testaments dabei, aber es fällt mir nicht leicht, darin zu lesen, denn im Augenblick lebe ich selbst in der Welt der Bibel – einer Welt der Krüppel und Monster, einer Welt der verzweifelten Hoffnung auf einen wütenden Gott, einer Welt der Verbannung, der Machtlosigkeit und des Wartens, Wartens und Wartens. Aber auch einer Welt der Wunder und der Erlösung.

Zum Buch:

Axel Vits, Der andere Buchladen Köln

Als ich hörte, daß Anfang August 2006 ein kleiner Band mit Reisereportagen von Denis Johnson erscheinen sollte, für die er vom The New Yorker nach Liberia und Somalia geschickt wurde, da dachte ich mir, na, da haben die sich ja gerade den Richtigen ausgesucht. Dann sollte der Band auch noch – In der Hölle – heißen, und ich rechnete mit Texten ähnlich den Bildern des Ausnahmefotografen James Nachtwey, und so kam es dann schließlich auch. Johnson reiste drei Mal nach Afrika, mitten hinein in das Chaos aus Bürgerkrieg, Wahnsinn, Armut, Hunger. Was er von dort an „Bildern“ mitgebracht hat, das liest sich so ungeschminkt und gnadenlos nüchtern, wie man es bei Denis Johnson gewohnt ist, und man hat mehr als einmal das Gefühl, ohne Vorwarnung direkt in einen Alptraum zu starren. Dabei hält sich Johnson nicht eben an journalistische Grundprinzipien, vielmehr – und das macht das Ganze wohl aus – erzählt er eher von sich selbst, als das er einen „anständigen Bericht abliefert.“ Seine erste Reise führt ihn 1990 nach Liberia, zu einem Zeitpunkt, an dem der Bürgerkrieg gerade seinen Zenit erreicht hat. „Die Menschen essen so gut wie alles, und immer mal wieder bleibt jemand am Straßenrand stehen und erbricht etwas, das als Nahrung nicht taugte. Leere Dosen des Insektenvertilgungsmittels Pestall liegen überall im Rinnstein verstreut, aufgehackt, der Inhalt von ausgehungerten Monroviern verschlungen, die das Etikett nicht lesen konnten.“ Während seines Aufenthalts wohnt er einem Interview mit Feldmarschall Prince Johnson bei, dem amtierenden Präsidenten Liberias, und einigen anderen, professionellen Journalisten. Das Interview beginnt damit, daß der selbsternannte Präsident in Begleitung seiner Reggaeband eine Version von „Rivers of Babylon“ spielt und singt, und das nicht mal so schlecht, und es endet mit einem verwackelten Videotape, auf dem zu sehen ist, wie derselbe Mann seiner Vorgänger, den gestürzte Präsidenten Doe, auf bestialische Weise foltern läßt. Wie sich dabei herausstellt, in demselben Zimmer, in dem das Interview gerade stattfindet. Denis Johnson scheut sich nicht, hinzusehen und zu beschreiben. Auf seine Art. Wenig später ist er dann in Somalia. Gerade sieht er zu, wie die letzten UN-Truppen das Land verlassen. Er bleibt zurück. Autorenportrait: Denis Johnson wurde 1949 als Sohn eines amerikanischen Offiziers in München geboren, wuchs jedoch in Washington, D.C. auf. Er arbeitete als „eine Art Berichterstatter“ für Esquire und The New Yorker, er veröffent-lichte Gedichtbände, Romane, Erzählungen.
 
Axel Vits, Der andere Buchladen Köln