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Autor
Hettche, Thomas

Pfaueninsel

Untertitel
Autorisierte Lesefassung. Sprecherin: Dagmar Manzel
Beschreibung

Dies ist die Geschichte der Zwergin Maria Dorothea Strakon, die im 19. Jahrhundert als Schloßfräulein auf der Pfaueninsel lebte. Zusammen mit ihrem Bruder, den Gärtnern, Tierpflegern, Jägern, einem Riesen, diversen exotischen Tieren und, wenn sie denn der Insel einen Besuch abstatteten, unterschiedlichen Mitgliedern des Königshauses. Von ihrer Kindheit bis zu ihrem Tod. Aber „Pfaueninsel“ erzählt noch viel mehr. Vom Entstehen und Vergehen von Moden und Ideen, von der Veränderung ästhetischer Vorstellungen und dem damit einhergehenden Blick auf die Welt, von der Geschichte der Insel, aber auch von Liebe, Hoffnung, Enttäuschung und Einsamkeit und davon, wie es ist, als „Monster“ angesehen zu werden. Es ist ein leichter, melancholischer Roman von großer sprachlicher Schönheit – sehr empfehlenswert.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Argon Verlag, 2014
Format
7 CDs, Laufzeit: 8 Stunden, 25 Minuten
Seiten
0 Seiten
ISBN/EAN
978-3-8398-1361-4
Preis
24,95 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Autor
Thomas Hettche, 1964 am Rand des Vogelbergs geboren, lebt in Berlin. Sein Romandebüt Ludwig muss sterben wurde als Geniestreich gefeiert. Danach erschien u.a. der Bestseller Der Fall Arbogast, der in zwölf Sprachen übersetzt worden ist. Woraus wir gemacht sind stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Zuletzt veröffentlichte Hettche die Essaysammlung Fahrtenbuch 1993–2007, den hochgelobten Roman Die Liebe der Väter und den autobiografischen Essayband Totenberg.

Sprecherin
Dagmar Manzel gehört zu den vielseitigsten deutschen Schauspielerinnen. Neben ihrer Arbeit am Theater hat sie in zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen mitgewirkt und wurde für ihre Rollen vielfach ausgezeichnet. Ihre Solo-Liederabende und Auftritte in Operette und Musical begeistern das Publikum ebenso wie ihre Hörbuchlesungen. 2013 erhielt Dagmar Manzel für ihre Interpretation von Christa Wolfs letzter Erzählung August den Deutschen Hörbuchpreis.

Zum Buch:

Das Buch beginnt mit der Schlüsselszene: Königin Luise spielt bei einem ihrer seltenen Besuche auf der Pfaueninsel mit ihren Kinder im Garten. Als sie ins Gehölz geht, umeinen weggerollten Ball zu holen, begegnet sie dort einem kleinen Jungen und spricht ihn freundlich an. Aber je länger sie schaut, umso befremdlicher wird dessen Anblick, bis sie erkennt, was er ist, und nur ein Wort aus ihr herausbricht: Monster!

Sie ist Christian begegnet, dem jungen „Zwerg“, der zusammen mit seiner ebenfalls zwergwüchsigen Schwester, dem „Schloßfräulein“ Marie, auf der Insel lebt – Kinder noch, aber Relikte einer Zeit, in der sich der Hof gerne mit Absonderlichem schmückte und Zwerge selbstverständlich zum Hofstaat gehörten. Aber so ist es längst nicht mehr. Die königliche Familie ist nur noch selten auf der Insel, und die Geschwister wachsen unbemerkt beim Schloßgärtner Fintelmann zusammen mit dessen Kindern auf. Fast könnte Marie vergessen, wie sehr sie sich von den anderen unterscheidet. Besonders Gustav, der gleichaltrige Gärtnerssohn, ist ihr und Christian ein vertrauter Spielkamerad. Später wird sie sich in ihn verlieben. Für kurze Zeit glücklich sein, bis sie ein Kind von ihm erwartet, das Gustav ihr nimmt.Und dann ist da noch Peter Schlemihl, der einzige, der ein völlig unverkrampftes Verhältnis zu Marie hat – vielleicht, weil auch er ein Defizit hat.

Ihr ganzes Leben wird sie auf der Insel verbringen. Dieses Stück Land, Gestaltungsraum der jeweils Herrschenden, ist trotz der Isolation Spiegel der großen Veränderungen dieser Zeit. 1806, als Marie auf die Insel gebracht wird, ist diese weitgehend ländlich, wenig gestaltet, bis auf die märchenhaft anmutenden Gebäude. Dann bekommt Lenné den Auftrag, die Insel umzugestalten. Aus der Vorstellung, alles in der Natur, welcher Art auch immer, sei von Gott gegeben, wird das Diktat der „natürlichen Schönheit“. Was ihm nicht entsprach, musste gerichtet, beschnitten, begradigt, geformt werden, bis es dem Ideal genügte. Eine Menagerie mit exotischen Tieren entsteht, ein Rosengarten, Schinkel baut ein großes Palmenhaus. Die Industrialisierung hält in Gestalt einer Dampfmaschine für die Bewässerung auf der Insel Einzug – bis alles wieder verfällt und in Vergessenheit gerät.

Damit geht „Pfaueninsel“ weit über die Lebensgeschichte des Schloßfräuleins Marie hinaus. Darin verwoben ist die Geschichte vom Entstehen und Vergehen von Moden und Ideen, von der Veränderung ästhetischer Vorstellungen und dem damit einhergehenden Blick auf die Welt, von Natürlichkeit und Künstlichkeit, von „Normalität“ und Abweichung. Aber auch von Liebe, Hoffnung, Enttäuschung und Einsamkeit und davon, wie es ist, als „Monster“ angesehen zu werden.

Nicht alles in diesem Buch – an dem der Autor über lange Jahre immer wieder gearbeitet hat – ist wirklich schlüssig. Die Figur der Marie wirkt etwas überfrachtet, und einzelne Abschnitte haben eher die Anmutung eines historischen Tableaus als eines „historischen Romans“ – den Hettche meiner Meinung nach wohl auch gar nicht schreiben wollte. „Pfaueninsel“ ist ein leichter, melancholischer Roman von großer sprachlicher Schönheit und Sorgfalt, an dem sicher nicht nur erklärte Liebhaber der Insel ihre Freude haben werden.

Ruth Roebke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt