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Autor
Hermann, Judith

Lettipark

Untertitel
Erzählungen
Beschreibung

Judith Hermann zählt zu den erfolgreichsten deutschsprachigen AutorInnen weltweit, ist – wie die dänische Tageszeitung Berlingske vermerkte – „jeder Diskussion enthoben – einer der größten zeitgenössischen Prosaisten.“ In Lettipark porträtiert sie den Menschen als soziales Wesen, zeigt ihn in seinen Beziehungen zu anderen Menschen: zu den Eltern, zum Partner, zu Freunden und Bekannten, zu Nachbarn und Zufallsbekanntschaften. Die Porträts sind skizzenhaft, die Striche charakterstark, die Szenerie von großer Ruhe. Es gibt weder große Dramen noch gewaltige Emotionen, die Protagonisten scheinen beinahe genauso Zuschauer ihres Lebens zu sein, wie es die Leser sind.

Judith Hermanns neue Erzählungen sind das, was wir von dieser Autorin erwartet haben – wunderbar geschrieben, dicht und poetisch.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
S. Fischer Verlag, 2016
Format
Gebunden
Seiten
192 Seiten
ISBN/EAN
978-3-10-002493-0
Preis
18,99 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Judith Hermann wurde 1970 in Berlin geboren. Ihrem Debüt ›Sommerhaus, später‹ (1998) wurde eine außerordentliche Resonanz zuteil. 2003 folgte der Erzählungsband ›Nichts als Gespenster‹. Einzelne dieser Geschichten wurden 2007 für das Kino verfilmt. 2009 erschien ›Alice‹, fünf Erzählungen, die international gefeiert wurden. 2014 veröffentlichte Judith Hermann ihren ersten Roman, ›Aller Liebe Anfang‹. Für ihr Werk wurde Judith Hermann mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter dem Kleist-Preis und dem Friedrich-Hölderlin-Preis. Die Autorin lebt und schreibt in Berlin.

Zum Buch:

Judith Hermanns Lettipark ist das, was wir von dieser Autorin erwartet haben – auch wenn viele Kritiker mit ihrem Ausflug in das Romangenre nicht einverstanden waren und Aller Liebe Anfang bei Erscheinen 2014 heftig in den Feuilletons diskutiert wurde. Ihre Erzählungen sind wunderbar geschrieben, dicht und poetisch. Bei ihrer ersten Lesung aus dem neuen Erzählungsband in Frankfurt berichtete Hermann von einer Begegnung mit David Grossman im Aufzug. Er kannte sie nicht, aber er war höflich und fragte nach ihrer Arbeit. Judith Hermann antwortete wahrheitsgemäß, dass sie sich nach einem Ausflug ins Romangenre wieder dem Schreiben von Erzählungen zugewandt habe. Grossman bedauerte sie zutiefst, müsse es doch schrecklich sein,sich nach der großen Form des Romans so beschränken zu müssen. Aber wenn man wie Judith Hermann beides kann, dann ist es ein Glück für den Leser und keine Beschränkung, sondern ein schillerndes Kondensat.

Judith Hermann zählt zu den erfolgreichsten deutschsprachigen AutorInnen weltweit, ist – wie die dänische Tageszeitung Berlingske vermerkte – „jeder Diskussion enthoben – einer der größten zeitgenössischen Prosaisten.“ In Lettipark porträtiert sie den Menschen als soziales Wesen, zeigt ihn in seinen Beziehungen zu anderen Menschen: zu den Eltern, zum Partner, zu Freunden und Bekannten, zu Nachbarn und Zufallsbekanntschaften. Die Porträts sind skizzenhaft, die Striche charakterstark, die Szenerie von großer Ruhe. Es gibt weder große Dramen noch gewaltige Emotionen, die Protagonisten scheinen beinahe genauso Zuschauer ihres Lebens zu sein, wie es die Leser sind. „Wenn ich nachts um drei im Halbschlaf auf dem Rücken mein Leben vor mir hergehen sehe“, notiert die Mutter ins Tagebuch. Und die Schwägerinnen Selma und Bojana stellen mehr fest, als dass sie sich fragen: „Sitzen wir in einem brennenden Haus, sagt Selma. Das tun wir, sagt Bojana. So sieht es aus. Wir sitzen in einem brennenden Haus.“

Es geht also durchaus um Leben und Tod, aber Hermanns Methode der mittleren Tonlage gibt den Worten und ihrem Klang ungemein breiten Raum. So verweist schon der Titel auf einen real existierenden Berliner Park, aber außer dem Namen hat der Erzählungsband mit ihm kaum etwas gemein. Es war der Name, der Hermann faszinierte. Letti Park.

Hermanns Erzählweise entfaltet Tableaus, in denen wir gemeinsam mit den Protagonisten spazieren gehen, uns umschauen, staunen können – über die Worte und das Leben. Dabei ist keineswegs alles gut im Leben der Protagonisten, erklärbar schon gar nicht, aber „hinnehmbar“, wie es in einer Erzählung heißt: es ist so, „dass man damit doch aber leben kann.“

Wir beobachten Paare bei der Wahl ihrer Speise im Restaurant – „meine Dame, der Heilbutt ist der Lamborghini der Meere“ –, Kinder, die ihren alten Vater besuchen – „es ging darum, dass ich ein Stück Pflaumenkuchen für ihn gekauft hatte und dass ich trotz allem und woher eigentlich wusste, dass er Pflaumenkuchen geliebt hatte, bevor er krank wurde“ –, es geht um eine Adoption in Russland, um Freundschaften und darum, die Augen zu schließen: „Kennst du das, wenn das Wasser so klar ist, dass du die Wale sehen kannst? Du kannst sie wirklich sehen, ganz weit unten auf dem tiefen Grund des Meeres. Aber noch besser ist es eigentlich, die Augen zuzumachen und gar nicht rauszusehen. Am besten ist es, wenn es reicht, zu wissen, was du sehen könntest, wenn du’s sehen wolltest.“ Bei offenen Augen die beste Lektüre für den verregneten Sommer.

Ines Lauffer, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt