Zum Buch:
Paris in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts: Gerade von den Mitbewohnern seiner Wohngemeinschaft vor die Tür gesetzt, lernt der junge spanische Maler in einem einfachen Restaurant Michel kennen, einen Mann in den Fünfzigern. Der wird mit dem jungen Spanier den Nachtisch, die Nacht und in der Nacht auch das Bett teilen, und das nicht ohne Leidenschaft – auf dem Plattenspieler im Hintergrund die Lieder von Georges Brassens. Das ist der Anfang, aber als der junge Maler von dieser Liebe zu erzählen beginnt, ist sie schon Vergangenheit, hat er Michel schon längst verlassen und mit der bedingungslosen Liebe zwischen dem Intellektuellen und dem Arbeiter einen Teil seiner Freiheit, seiner Jugend und seiner Träume aufgegeben. Im Schwarz-Weiß-Film der Erinnerung treten aus diesem Roman die Bilder von den gemeinsamen Nächten in Michels spärlich eingerichteter Wohnung in einem Hinterhaus in Vincennes hervor, auch Szenen aus Michels Kindheit und Jugend mit Mutter und Stiefvater, vom ärmlichen Leben in Lecreux und Ruan, von den französischen Speisen, die der junge Spanier für Michel kocht, den Spaziergängen durch Montsouris, dem Parc Monceau oder dem Bois de Vincennes, die die beiden an Feiertagen unternehmen, von Michels mit Schmieröl befleckten Fingern, die das Brot brechen, wenn sie zusammen in der Nähe von Michels Arbeitsstelle in Ivry zu Mittag essen. Der junge Liebhaber muss von dieser Liebe erzählen, um sich von ihr losreißen zu können.
Rafael Chirbes hat mit diesem ausdrucksstarken Roman Abschied genommen – und das von mehr als nur einer großen Liebe: von der Literatur, vom Leben, aber auch von einem Paris, das es heute so nicht mehr gibt, dem Paris der Bourgeoisie, der Intellektuellen und der einfachen Leute.
Susanne Rikl, München