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Das Leben. Gebrauchsanweisung

Autor
Perec, Georges

Das Leben. Gebrauchsanweisung

Untertitel
Aus dem Französischen von Eugen Helmlé
Beschreibung

Ein Haus, irgendwo in Paris, muss für die Kulisse dieses besonderen Romans herhalten. Da das Leben der vielen verschiedenen Bewohner beschrieben wird, gerät dieses Buch gleichsam zu einem unerschöpflichen Füllhorn voll von tiefgründigen Abschweifungen, witzigen Kuriositäten, grotesken Widersprüchlichkeiten, eher unnützem aber außerordentlich interessantem Wissen, tragischen Begebenheiten, seltsamsten Verstrickungen und dergleichen mehr. Eine Gebrauchsanweisung fürs Leben, die man sich besser gleich zweimal durchlesen sollte.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Diaphanes Verlag, 2017
Seiten
848
Format
Kartoniert
ISBN/EAN
978-3-0358-0044-9
Preis
25,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Georges Perec war einer der wichtigsten Vertreter der französischen Nachkriegsliteratur und Filmemacher. Als Sohn polnischer Juden musste Perec als Kind die deutsche Besetzung Frankreichs miterleben. Sein Vater fiel 1940 als Freiwilliger in der französischen Armee, seine Mutter wurde 1943 nach Auschwitz verschleppt. Kurz vor ihrer Verhaftung konnte sie ihren Sohn mit einem Zug des Roten Kreuzes aufs Land schicken und ihm so das Leben retten. 1967 trat Perec der literarischen Bewegung Oulipo bei, die Raymond Queneau ins Leben gerufen hatte. Das Kürzel Oulipo steht für »L’ Ouvroir de Littérature Potentielle«, d.h. »Werkstatt für Potentielle Literatur«. In den 70er Jahren begann Perec ebenfalls mit Erfolg Filme zu drehen. Kurz vor seinem 46. Geburtstag starb Georges Perec an Lungenkrebs.

Zum Buch:

Gleich zu Anfang muss ich sagen, dass ich George Perec sowie eine Handvoll der Titel seines ausgesprochen umfangreichen Werkes allein dem Namen nach kannte – gelesen hatte ich bisher noch gar nichts. Das änderte sich jedoch mit einem Schlag, als im vergangenen Jahr sein Buch in einer Neuauflage beim Diaphanes Verlag erschien. Ein 850-Seiten-Wälzer, durch den ich mich langsam, aber von stetiger Lesebegeisterung geradezu beflügelt durcharbeitete.

Heute bin ich großer Fan dieses Ausnahmetalents der Fabulierkunst, diesem Meister der Aneinanderreihung von komplett unnützen und gerade deshalb höchst interessanten Wissen, das er mit solch einer unverstellten und damit unvergleichlichen Leidenschaft zu Papier gebracht hat; diesem Kultautor, der es versteht, sich dem Leser aufzudrängen, sich ihm regelrecht an den Hals zu werfen, indem er, bildlich gesprochen, einfach nur den Mund aufmacht und dann nicht mehr aufhört zu erzählen, zu erzählen, zu erzählen. Was so einfach, ja banal klingen mag, ist im Gegenteil von einer ungemein tiefen Leidenschaft zur Literatur geprägt, die in jedem einzelnen Satz zu spüren, ja richtiggehend zu greifen ist. Ein Sog entsteht, dem man – ist man ihm einmal verfallen – nicht mehr widerstehen kann.

Das Leben. Gebrauchsanweisung gilt gemeinhin als Perecs Meisterwerk. Doch könnte man das gleiche von jedem seiner Bücher behaupten – auch wenn das natürlich etwas übertrieben klingen mag. In 99 Kapiteln werden die verschiedenen Räume eines großen Mehrfamilienhauses in Paris sowie die Menschen, die diese Räume bewohnen bzw. bewohnt haben, beschrieben. Mehr ist es eigentlich nicht, doch zaubert Perec daraus einen wahren Kosmos. Im Zentrum dieser ununterbrochenen Aneinanderreihung von Namen, seltsamen Verstrickungen, Lebensläufen, Gegenständen, Geschehnissen, Listen, Absonderlichkeiten, Mutmaßungen, Superlativen, Abschweifungen, Kuriositäten, Übertreibungen, Halbwahrheiten und offenen Lügen steht der reiche Hausbewohner Bartlebooth, ein Engländer, dessen Aquarelle (immer nur Hafenansichten auf der ganzen Welt) in eben diesem Haus von einem der Bewohner zu komplizierten Puzzeln verarbeitet und dann von einem anderen Bewohner mittels einer noch komplizierteren Klebelösung erneut zu einem ganzen Bild zusammengefügt werden. Das klingt etwas daneben. Ist es auch. Aber die Sache hat einen tieferen Sinn, den ich hier ganz sicher nicht verraten werde. Nur soviel sei gesagt: Das Leben. Eine Gebrauchsanweisung ist „ein Buch, das man jedes Jahr mindestens einmal lesen sollte.“ Das ist nicht von mir, das stammt von Harry Rowohlt. Oder, um es mit Italo Calvino zu sagen: „Man schlage das Buch an beliebiger Stelle auf und lese, lese, lese.“

Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln