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Autor
Modick, Klaus

Sunset

Untertitel
Roman
Beschreibung

Weltberühmt und wohlhabend, aber argwöhnisch beschattet von den Chargen der McCarthy-Ära, lebt Lion Feuchtwanger 1956 noch immer im kalifornischen Exil – der letzte der großen deutschen Emigranten. Als ihn an einem Augustmorgen die Nachricht vom plötzlichen Tod Bertolt Brechts erreicht, ist er tief erschüttert. Er hatte Brechts Genie entdeckt, hatte ihn gefördert, war ihm eng verbunden gewesen. In stummer Zwiesprache mit dem toten Freund ruft Feuchtwanger die Stationen dieser Freundschaft wach und damit seines eigenen Lebens.
(Klappentext)

Verlag
Eichborn Verlag, 2011
Format
Gebunden
Seiten
192 Seiten
ISBN/EAN
9783821861173
Preis
18,99 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Klaus Modick, geboren 1951 in Oldenburg, hat über Lion Feuchtwanger promoviert und in vielen seiner Romane das Prekäre des schriftstellerischen Schaffens erzählerisch behandelt. Er war Stipendiat der Villa Massimo und wurde für sein umfangreiches Werk mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter dem Bettina-von-Arnim-Preis und dem Nicolas-Born-Preis. Er lebt in Oldenburg.

Zum Buch:

Pazific Palisades, Synonom für das Exil vieler Künstler und Schriftsteller, die an der Westküste Amerikas Zuflucht aus Nazideutschland oder den besetzten Gebieten gesucht haben. Viele von ihnen lebten in der Nähe des Sunset Boulevards: Eisler, Heinrich und Thomas Mann, die Werfels, die Viertels, Marlene Dietrich, Bertold Brecht, Lion Feuchtwanger. 1958, das Jahr, in dem Klaus Modicks Roman spielt, sind einige von ihnen bereits gestorben, viele sind nach Europa zurückgekehrt. In die Schweiz, nach Österreich, in die Bundesrepublik und in die DDR.

Lion Feuchtwanger ist einer der wenigen, der geblieben ist. Mit seiner Frau Marta lebt er in einer der großen Villen, umgeben von seiner riesigen Bibliothek. Er war eine der Ausnahmen unter den deutschsprachigen Schriftstellern, neben Thomas Mann und Franz Werfel, einer, dessen Tantiemen dank seiner internationalen Erfolge und Übersetzungen in diverse Sprachen auch im Exil großzügig weiter flossen und dessen literarische Produktivität ungebrochen war. Andere, wie Heinrich Mann oder Brecht, die mit großen Hoffnungen ins Land gekommen waren, fanden kaum ein Auskommen. Weil sie die Sprache zu schlecht sprachen oder für Hollywood, den größten Arbeitgeber, zu „links“ waren. Misstrauisch beobachtet von FBI und CIA, die für McCarthys Tribunale nach politisch Verdächtigen fahndeten, wurden fast alle.

Am 17. August 1956, am frühen Morgen, erhält Feuchtwanger ein Telegramm aus Ostberlin (aufgegeben einen Tag zuvor). Brecht sei gestorben, man bitte um seine Teilnahme am Staatsakt am 18. August, also einen Tag später. Das ist der Ausgangspunkt des Romans. Was folgt, kann man so zusammenfassen: ein Tag – ein Leben. „Sunset“ schildert diesen einen Tag im Leben Feuchtwangers. Er ist allein zu Hause, Marta kümmert sich (mal wieder) um die sich endlos hinziehende Einbürgerung. In ihm steigen Erinnerungen auf: an die lebenslange, distanzierte, aber auch unverbrüchliche Freundschaft und Arbeitsbeziehung zu dem – je nach Situation – schlitzohrigen Genie oder genialen Schlitzohr Brecht. An die eigene Jugend, die Herkunft aus dem strenggläubigen jüdischen Elternhaus, an die Räterepublik, an Armut und erste Erfolge. An die lebenslange Beziehung zu seiner Frau, den frühen Tod des einzigen Kindes und die damit verbundenen Schuldgefühle. An die Internierung in Südfrankreich, an Flucht und Exil, die Angst vor den Tribunalen und die endlosen Befragungen zur Einbürgerung.

Dies und noch viel mehr streift das mit knapp 200 Seiten eher schmale Buch mit leichter Hand, und es ist erstaunlich, wie Modick es schafft, vor dem Auge des Lesers in all der Knappheit komplexe Begebenheiten und Charaktere erstehen zu lassen, ein ganzes Leben zu schildern, mit einer Hauptfigur, die dem Leser schnell ans Herz wächst, ohne dass es jemals anbiedernd wird.

Klaus Modick ist ein fundierter Kenner von Feuchtwangers Leben und Werk, er hat über den Autor promoviert. Aber „Sunset“ ist ein gänzlich unakademisches Buch. Der Autor schildert mit großer Sympathie und Einfühlung einen Mann, schwankend zwischen Resignation und Altersweisheit, der ein Stück weit Abbild des gesamten Jahrhunderts und seiner Verwerfungen ist. Das zu lesen ist ein großes Vergnügen!

Ruth Roebke, autorenbuchhandlung marx & co., Frankfurt